• Ankündigung
25. März 2024
Taju Mohammednur Achal und Habtamu Seyoum Aragaw vom Jimma Agricultural Research Center (JARC) © Jana Bauer/GIZ

Ein Artikel von Jana Bauer

Globale landwirtschaftliche Lieferketten sind komplex und umfassen zahlreiche Akteure über nationale Grenzen hinweg. Herausforderungen innerhalb der Lieferkette haben oft verschiedene Ursachen, die auf lokaler, regionaler oder globaler Ebene liegen. Um die Nachhaltigkeit in landwirtschaftlichen Lieferketten zu verbessern, braucht es deshalb Zusammenarbeit auf all diesen Ebenen und unter einer Vielzahl von Akteuren wie  politische Entscheidungsträger*innen, dem privatem Sektor und Interessensgruppen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Dabei nimmt die Zusammenarbeit verschiedene Formen der Partnerschaft mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten an. Dies gilt auch für Kaffeelieferketten.

Innerhalb der GIZ bietet die Zusammenarbeit zwischen der in Deutschland ansässigen Initiative für Nachhaltige Agrarlieferketten (INA) und dem global agierendem Projekt AgriChains ein Beispiel dafür, wie Engagement für nachhaltige Agrarlieferketten aussehen kann  - von der Förderung der Produktion und dem Vertrieb  verbesserten Saatguts bis hin zur Unterstützung des Sektor-Dialogs für nachhaltige Kaffeelieferketten.

Kaffee ist ein wichtiger landwirtschaftlicher Rohstoff, der auf rund 11 Millionen Hektar in über 50 Ländern angebaut wird und die Haupterwerbstätigkeit für 12,5 Millionen Kaffeebäuerinnen und -bauern und ihre Familien bildet. Etwa 95% dieser Bauern und Bäuerinnen produzieren auf weniger als 5 Hektar Fläche und gelten daher als „Kleinbauern“. Verschiedene Einschränkungen auf Produktionsebene und entlang der Lieferkette hindern die meisten von ihnen daran, ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Um verbesserte Lebensbedingungen für Produzierende zu gewährleisten und gleichzeitig natürliche Ressourcen zu schützen, ist das Engagement aller Akteure entlang der Lieferkette erforderlich.

Forschungsbasierte Ansätze für nachhaltige Kaffeeproduktion

Wie in anderen landwirtschaftlichen Lieferketten beginnt auch in der Kaffeelieferkette die Nachhaltigkeit bereits bevor die beliebte Kaffeebohne produziert wird. Es beginnt mit der Kaffeepflanze - Kaffee wird seit Jahrhunderten in Äthiopien angebaut. Die Umgebung von Jimma bildet die Wiege des Arabica-Kaffees. Dennoch sehen sich Bauern und Bäuerinnen verschiedenen Herausforderungen gegenüber, um Kaffee nachhaltig und profitabel anzubauen. Seit 1967 forscht das Jimma Agricultural Research Center (JARC) daher an verbesserten Kaffeesorten für äthiopische Kaffeebauern und -bäuerinnen. Insbesondere angesichts eines sich ändernden Klimas müssen Kaffeepflanzen neuen klimatischen Bedingungen standhalten. Veränderte Schädlingsbefallmuster und Krankheiten beeinflussen die Qualität des Kaffees und die Produktivität der Kaffeepflanzen. Für Produzierende wird die Verjüngung ihrer Kaffeegärten durch verbesserte Sorten daher unerlässlich, um bessere Einkommen zu erzielen.

Aus diesem Grund setzt das global agierende Vorhaben AgriChains die Ländermaßnahme Sustainability and Value Added in Agricultural Supply Chains in Ethiopia (SUVASE) um, die unter anderem das JARC bei der Vermehrung hochwertiger Kaffeesamen und -setzlinge unterstützt. Dafür verwendet das Forschungsteam des JARC Gewebekulturen, hybride Stecklinge und botanische Samen.

Kasahun Chala, Berater für ländliche Entwicklung der GIZ-Ländermaßnahme SUVASE, inspiziert einen Kaffeesetzling © Jana Bauer/GIZ
Kasahun Chala, Berater für ländliche Entwicklung der GIZ-Ländermaßnahme SUVASE, inspiziert einen Kaffeesetzling © Jana Bauer/GIZ

"Das Wissen und die Fähigkeiten der Bauern und Bäuerinnen in Bezug auf die Produktion von Kaffeesamen, das Management von Baumschulen und das Nacherntemanagement werden verbessert. Darüber hinaus werden ihnen Setzlinge und Technologien für die Saatgut- und Setzlingsproduktion bereitgestellt. Zu Projektende erwarten wir eine Verbesserung des Einkommens und der Lebensgrundlagen der Bauern und Bäuerinnen.", sagt Taju Mohammednur Achalu, Leiter des Projekts, das gemeinsam mit SUVASE umgesetzt wird. Er arbeitet an Technologien zur Saatgutvermehrung und Saatgutforschung. Sein Kollege Habtamu Seyoum Aragaw arbeitet an biotechnologischen Forschungen und ist Koordinator des Forschungslabors, in dem Gewebekulturen hergestellt werden. Er erklärt: "Gewebekultur ist eine Technologie zur Herstellung von Hybrid-Kaffeesämlingen unter Laborbedingungen. Sie ermöglicht die Massenproduktion von hochwertigen Setzlingen, die auf das Feld verpflanzt werden können."

Neben der Vermehrung im Forschungszentrum werden zwei Kaffeebaumschulen eingerichtet und an ländliche Gemeinden übergeben, um deren Einkommensdiversifizierung zu fördern. Darüber hinaus bietet JARC Feldtage an. Dabei erhalten landwirtschaftliche Berater*innen und Kaffeebäuer*innen, insbesondere Frauen und Jugendliche, Trainings zur Errichtung von Baumschulen, verbesserten agronomischen Praktiken und zur Vermehrung von Setzlingen. Die Setzlinge werden zudem an Kaffeekooperativen im Distrikt Illubabor über bereits exisitierende Baumschulen verteilt.

Jana Bauer mit Kasahun Chala (SUVASE), Taju Mohammednur Achalu, Projektleiter Technologien zur Saatgutvermehrung und Saatgutforschung am JARC, und Habtamu Seyoum Aragaw, Koordinator für das Forschungslabor zu Pflanzenbiotechnologie am JARC © Jana Bauer

Partnerschaftlicher Dialog für zukunftsfähige Transformation auf Sektorebene

Im Februar hatte ich als INA-Expertin für Kaffee die Gelegenheit, das JARC und meine Kolleg*innen bei SUVASE zu besuchen, um mehr über die Arbeit an verbessertem Kaffeesaatgut zur Steigerung der Produktionsniveaus und damit für verbesserte Lebensgrundlagen für Bauern und Bäuerinnen  sowie ländliche Gemeinden im Umkreis von Jimma zu erfahren. Mein Kollege Kasahun Chala Bedada, Berater für ländliche Entwicklung bei SUVASE, stellte mir die Zusammenarbeit mit JARC und die Aktivitäten des GIZ-Projekts vor. Der Besuch ermöglichte es uns, Erfahrungen auszutauschen, um so das kollegiale Wissen aus der Projektumsetzung  auf globaler Branchenebene zu nutzen, wo ich mit  Multiakteursplattformen an der Schnittstelle zwischen öffentlichem und privatem Sektor und mit Vertreter*innen der Zivilgesellschaft zusammenarbeite.

Die Exkursion bildete nur einen Teil meiner Dienstreise nach Äthiopien. Der eigentliche Zweck war der Austausch mit Partnern auf Sektorebene: Anfang Februar fand die zwanzigste African Fine Coffee Conference and Exhibition (AFCA Konferenz) in Addis Abeba statt - eine Handelsmesse und Konferenz für Produzierende, Händler und Röster sowie für Sektorakteure, die im Bereich Nachhaltigkeit im Kaffeesektor tätig sind. Die Konferenz bot die Möglichkeit, mit verschiedenen Akteuren des Sektors zusammenzukommen, um Fragen der Nachhaltigkeit zu erörtern, die den Sektor auf dem afrikanischen Kontinent und darüber hinaus derzeit bewegen. Neben Diskussionen über Strategien zur Einhaltung der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR) bot die Veranstaltung Raum für Debatten über Wege zur Erzielung eines existenzsichernden Einkommens für Erzeugende und ländliche Gemeinden sowie über Strategien für einen florierenden, umweltfreundlichen und sozial gerechten afrikanischen Kaffeesektor. Außerdem hatte ich die Gelegenheit, mit Partnern wie der International Coffee Organization (ICO), der Inter-African Coffee Organization (IACO), der Global Coffee Platform (GCP) und anderen zusammenzukommen, die Teil der Coffee Public Private Task Force (CPPTF) der ICO sind. Die CPPTF ist eine Multi-Stakeholder-Plattform, die sich aus Regierungsvertreter*innen Kaffee produzierender und konsumierender Länder, aus bestehenden Multi-Akteurs-Initiativen und aus Vertreter*innen des Privatsektors und der Zivilgesellschaft zusammensetzt. Seit 2019 unterstützt die INA im Auftrag des BMZ die Aktivitäten der Taskforce, die darauf abzielen, den Kaffeesektor auf lokaler und globaler Ebene in Richtung Nachhaltigkeit und Fairness zu transformieren. Im Rahmen von fünf “techinal workstreams” fördert die Taskforce den Dialog zwischen den Mitgliedern sowie den Konsens über notwendige Schritte für koordinierte Maßnahmen zu priorisierten Nachhaltigkeitsthemen. Bei diesen Themen handelt es sich um  existenzsichernde Einkommen für die Erzeuger*innen, Markttransparenz, förderliche rechtliche Rahmenbedingungen, resiliente Kaffeelandschaften, Geschlechtergerechtigkeit und die Einbeziehung der Jugend.

Christopher Wunderlich (Agrofuturo Global), Dr. Vanusia Nogueira (ICO), Dr. Celestin M. Gatarayiha (Inter-African Coffee Organization), Joost Backer (New Foresight), Lauren Weiss (GCP) und George Watene (GCP) während des Panels "Improving Farmer Income: Experiences from Across the Globe" © Jana Bauer/GIZ

Lösungsansätze zur Einhaltung der EUDR und zur Beiteiligung kleinbäuerlicher Produzierenden

Die Konferenz war auch für das SUVASE-Team ein wichtiges Ereignis. Neben der Zusammenarbeit mit lokalen und internationalen Partnern und Interessenvertretern trug das Team aktiv zu verschiedenen Sitzungen der Konferenz bei. Bente Kruetzfeldt, Projektleiterin von SUVASE, präsentierte das Engagement der GIZ im äthiopischen Kaffeesektor. Sie eröffnete die Podiumsdiskussionen über Strategien zur Einhaltung der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR), die während des Nachhaltigkeitstages der Rainforest Alliance stattfanden. Die EUDR sieht vor, dass die Marktteilnehmer – sog. “operator”- ab dem 30. Dezember 2024 nachweisen müssen, dass die in der EU in Verkehr gebrachten Produkte oder aus der EU exportierten Produkte nach 2020 nicht zu Entwaldung geführt haben und im Einklang mit Rechtvorschriften des Erzeugerlandes produziert wurden. Aufgrund der Komplexität der Kaffee-Lieferketten, die einen kleinbäuerlichen Ursprung haben, ist der Sektor bestrebt Lösungen zu entwickeln, die von einem breiten Spektrum an Akteuren getragen werden und den Zugang zum europäischen Markt für Kleinbauern und -bäuerinnen weiter gewährleisten.

Auf der von der African Fine Coffee Association (AFCA) organisierten Konferenz wurden daher Strategien diskutiert, die die Einhaltung der EUDR in diesen Lieferketten gewährleistet. Um einen Raum für den Austausch zwischen Produzent*innen zu bieten, organisierte SUVASE zusammen mit Vuna Origin Consulting den Farmers Day. Die Veranstaltung ermöglichte es Bauern und Bäuerinnen, Genossenschaftsvertreter*innen und anderen Interessengruppen aus Äthiopien, Kenia, DR Kongo, Malawi, Uganda und Tansania, sich in Diskussionen über die Auswirkungen der EUDR auf Kaffeeproduzierende Gemeinden und über die Stärkung  ebendieser zur Einhaltung der EUDR auszutauschen. Auch waren Möglichkeiten zur Verbesserung des Marktzugangs sowie die Schaffung von Anreizen zur Produktion von hochwertigem Kaffee Element der Debatten.

Integriertes Denken und Arbeiten in der GIZ

Neben der engen Zusammenarbeit mit Sektorakteuren und Partnern bilden Vernetzung und Zusammenarbeit innerhalb der GIZ einen integralen Bestandteil der Arbeit für nachhaltige landwirtschaftliche Lieferketten. Daher trafen sich meine Kolleg*innen und ich - Berater*innen bei SUVASE und der INA- auch abseits der Konferenz, um Synergien bei der Arbeit an einem EUDR-konformen Sektor und ein existenzsicherndes Einkommen für Produzent*innen zu identifizieren - wer arbeitet woran, welche Lernerfahrungen und Tools existieren und wie können diese in der Zusammenarbeit genutzt werden? Was treibt den Sektor aktuell auf globaler Ebene an und wie spiegelt sich dies in den Erzeugerländern wider? Welche lokalen Herausforderungen und Lernerfahrungen aus verschiedenen Erzeugerländern müssen in Strategien und Kooperationen auf globaler Ebene integriert werden? Integriertes Denken und Arbeiten sind erforderlich, um Lösungen für diese komplexen Herausforderungen zu finden. Als Mitarbeitende der GIZ organisieren wir daher regelmäßige projektübergreifende Austausche, um unsere Rolle als Beratende für nachhaltige globale landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten durch Vernetzung, Informationsaustausch und Dialog zu erfüllen. Dies findet normalerweise online statt - aber wenn sich die Gelegenheit bietet, treffen wir uns auch persönlich, um Aktivitäten und Lösungen  "Vom Regal aufs Feld" oder wie in diesem Fall  - "von der Saat bis zum Sektordialog" zu diskutieren.