1. Eckdaten zur Initiative „Towards Living Wages in the Banana Sector“ von der Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels
1.1 Worum geht es bei der Initiative?

Bäuerinnen und Bauern in globalen Lieferketten sollen existenzsichernde Löhne und Einkommen erwirtschaften können (siehe Kapitel 2.1). Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich 2019 die Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels[1] zusammengeschlossen. Mit der Unterzeichnung einer gemeinsamen Selbstverpflichtung haben sich die Vertreter*innen des deutschen Einzelhandels dazu verpflichtet, sich aktiv für die Entwicklung und Umsetzung verantwortungsvoller Geschäftspraktiken in ihren globalen Lieferketten einzusetzen und auf eine faire Entlohnung entlang globaler Agrarlieferketten ihrer eigenen Marken hinzuarbeiten.

Die Gruppenmitglieder ALDI Nord, ALDI SÜD, dm-drogerie markt, Kaufland und die REWE Group haben sich auf ein erstes Pilotprojekt für existenzsichernde Löhne und faire Arbeitsbedingungen in der ecuadorianischen Bananenproduktion geeinigt, das in den kommenden Jahren auf weitere Bezugsländer ausgeweitet werden soll. Dieses erste gemeinsame Pilotprojekt dient dazu, brauchbare Handlungsansätze zur Förderung existenzsichernder Löhne in Lieferketten für Bananen und andere Rohstoffe auszumachen, zu erproben und anzupassen. Das Projekt dient als Blaupause für die Einführung und Ausweitung guter Praktiken in weiteren Beschaffungsländern neben Ecuador.

 


[1] Weitere Informationen zu dieser Initiative finden Sie auf unserer Website: Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels für existenzsichernde Löhne und Einkommen (nachhaltige-agrarlieferketten.org)

1.2 Wer sind die Mitglieder der Arbeitsgruppe?

Folgende deutsche Einzelhändler*innen (im Folgenden als „die Einzelhändler*innen“ bezeichnet) sind Teil dieser Initiative: ALDI Nord, ALDI SÜD, Kaufland, REWE Group, dm-drogerie markt.

Koordiniert wird die Initiative von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Die GIZ ist als Dienstleister im Auftrag der deutschen Bundesregierung im Bereich der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung und internationale Bildungsarbeit tätig. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Initiative zielt auf eine Zusammenarbeit mit relevanten Stakeholdern – in erster Linie Bananenproduzent*innen und -lieferant*innen, aber auch standardsetzende Organisationen und NGOs – ab, um eine gemeinsame Vision und praktische Lösungen zur Etablierung existenzsichernder Löhne im Bananensektor zu entwickeln.

1.3 Welche Rolle spielt Lidl in dieser Initiative?

2020 hat Lidl zusammen mit ALDI Nord, ALDI SÜD, Kaufland, der REWE Group und dm-drogerie markt die gemeinsame Selbstverpflichtung unterzeichnet, um existenzsichernde Löhne und Einkommen in den Lieferketten ihrer Eigenmarkenprodukte schrittweise zu fördern. Lidl war auch an der Planung und ersten Implementierung dieser gemeinsamen Bananeninitiative der Arbeitsgruppe beteiligt.

Im Mai 2022 beschloss Lidl, gemeinsam mit Fairtrade einen individuellen Ansatz außerhalb der Gruppe zu verfolgen, um existenzsichernde Löhne im Bananensektor zu implementieren. Seitdem ist Lidl nicht mehr Mitglied der Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels. Die Arbeitsgruppe wird einen regelmäßigen Austausch mit Lidl als Projektpartner pflegen, um sich gegenseitig über bewährte Verfahrensweisen und gewonnene Erkenntnisse zu informieren.

1.4 Warum setzt sich diese Initiative für existenzsicherndes Einkommen und existenzsichernde Löhne ein?

Im Jahr 2019 lebten noch immer etwa 632 Millionen Menschen in extremer Armut (mit weniger als 1,90 USD pro Tag). Nach wie vor liegen die Löhne von Arbeitnehmer*innen in Agrarlieferketten weltweit unterhalb eines existenzsichernden Lohns. Viele von ihnen können die Kosten des Grundbedarfs für ihre Familien nicht decken, darunter Kosten für angemessenen Wohnraum, Lebensmittel und die Ausbildung ihrer Kinder. ALDI Nord, ALDI SÜD, dm-drogerie markt, Kaufland und die REWE Group haben erkannt, welche Rolle globaler Handel und Wertschöpfungsketten in diesem Zusammenhang spielen, und sich in der Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels für existenzsicherndes Einkommen und existenzsichernde Löhne zusammengeschlossen, um gemeinsam mit Ihnen, unseren Lieferant*innen und Produzent*innen, die Löhne und Einkommen der Landarbeiter*innen zu verbessern. Wir erkennen das erhebliche Potenzial von existenzsicherndem Einkommen und existenzsichernden Löhnen für die Armutsbekämpfung, die Unterstützung fairer Arbeitsbedingungen, die Abschaffung von Kinder- und Zwangsarbeit sowie die Förderung der Agrarindustrie als attraktiven Beschäftigungssektor für zukünftige Generationen an. Die Arbeitsgruppe wird von der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) koordiniert.

1.5 Wie werden mit dieser Initiative existenzsichernde Löhne im Bananensektor gefördert?

Das gemeinsame Projekt der Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels zielt auf die ganzheitliche Förderung existenzsichernder Löhne und fairer Arbeitsbedingungen ab, wobei günstige Bedingungen auf Ebene der Produktion, der Lieferkette, des Sektors und der Politik geschaffen werden sollen. Der ganzheitliche Handlungsansatz steuert auf vier strategische Ziele hin (siehe unten). 

Zur Erreichung dieser Ziele hat sich die Arbeitsgruppe auf einen gemeinsamen Fahrplan geeinigt, der folgende Grundpfeiler für die Umsetzung beinhaltet:

     1. Einführung und Roll-out von Bananen aus existenzsichernder Entlohnung auf dem deutschen Markt

  • Dieser Prozess ist für Lieferant*innen und Produzent*innen von besonderer Bedeutung, da er direkt mit den Beschaffungsvereinbarungen mit den Einzelhändler*innen verknüpft ist. Die Einzelhändler*innen bemühen sich bei der Definition, Implementierung und Verifizierung von Bananen aus existenzsichernder Entlohnung (Living-Wage-Bananen, kurz LW-Bananen) um eine enge Zusammenarbeit mit Lieferant*innen und Produzent*innen und sind für Feedback und Empfehlungen offen. In Kapitel 4 finden Sie eine Zusammenfassung der ersten Ideen für Merkmale und Kriterien von LW-Bananen. 

     2. Umsetzung von Strukturmaßnahmen zur Förderung von existenzsichernden Löhnen und fairen Arbeitsbedingungen in den globalen Bananenlieferketten der Einzelhändler*innen, z. B. Förderung starker Arbeitnehmervertretungen mit sämtlichen Akteur*innen entlang der Lieferkette, Aufbau von Dialogstrukturen zwischen Lieferkettenakteur*innen und Stärkung des Verbraucherbewusstseins.

  • Diese Maßnahmen stehen nicht in direktem Zusammenhang mit den Beschaffungsvereinbarungen zwischen Einzelhändler*innen, Lieferant*innen und Produzent*innen. Anmerkungen und die Einbeziehung von Lieferant*innen und Produzent*innen werden in naher Zukunft begrüßt.

Ausführlichere Informationen zu Zielen, Meilensteinen und vorgesehenen Aktivitäten finden Sie in der Projekt-Roadmap (Englisch | Spanisch).

1.6 Warum ist diese Initiative auf ein gemeinsames Vorgehen aller beteiligten Einzelhändler*innen ausgerichtet?

Ein(e) Bananenproduzent*in verkauft in der Regel an mehrere Käufer*innen. Ein einheitlicher Ansatz verringert vor allem die Komplexität, den Aufwand und die Kosten für Produzent*innen, da sie keine unterschiedlichen Anforderungen von ihren Lieferkettenpartner*innen erhalten und Überschneidungen bei Verifizierungen reduziert werden können. Vermittler*innen können zudem von einer erhöhten Effizienz profitieren, wenn sich ihre Einzelhandelskund*innen auf gemeinsame Rahmenbedingungen für die Implementierung existenzsichernder Löhne einigen.

Darüber hinaus hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass branchenweites Engagement nötig sein könnte, um relevante Hindernisse wie den First-Mover-Nachteil zu überwinden. Die gemeinsame Vision und vereinten Kräfte der beteiligten Einzelhändler*innen, die Messlatte bei existenzsichernden Löhnen höher zu legen, können die Maßnahmen beschleunigen und die Wirkung maximieren.

Statt individuelle Lösungen zu verfolgen, konzentriert sich die Arbeitsgruppe daher auf die vorwettbewerbliche Zusammenarbeit an einem gemeinsamen Ansatz. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe – ALDI Nord, ALDI SÜD, Kaufland, die REWE Group und dm-drogerie markt – verfolgen diesen gemeinsamen Ansatz, da dieser als der wirksamste und nachhaltigste Weg zur Verankerung existenzsichernder Löhne im Sektor gilt.

2. Das Konzept des existenzsichernden Lohns
2.1 Was ist ein existenzsichernder Lohn?

Das Konzept eines existenzsichernden Lohns basiert auf dem Bedarf für einen angemessenen Lebensstandard und bezieht die Lebenshaltungskosten von Arbeitnehmer*innen und ihrer Familien mit ein – im Gegensatz zu Mindestlöhnen, die in der Regel politisch festgelegt werden.

Existenzsichernde Löhne sind als grundlegendes Menschenrecht integraler Bestandteil wichtiger internationaler Vereinbarungen, wie z. B. der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und der OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen.

Laut der international anerkannten Definition der Global Living Wage Coalition ist ein existenzsichernder Lohn die Vergütung, mit der jeden Monat die grundlegenden Lebenshaltungskosten einer Familie von den erwachsenen Lohnempfänger*innen aufgebracht werden können. Ein existenzsichernder Lohn wird gezahlt, wenn ein(e) Arbeitnehmer*in eine Entlohnung erhält, die zur Gewährleistung eines angemessenen Lebensstandards für sich und seine bzw. ihre Familie am entsprechenden Wohnort und in der entsprechenden Zeit ausreicht. Ein angemessener Lebensstandard umfasst Lebensmittel, Wasser, Wohnraum, Bildung, Gesundheitsvorsorge, Transport, Kleidung und weiteren Grundbedarf wie die Vorsorge für unerwartete Ereignisse.

2.2 Was ist der Unterschied zwischen existenzsicherndem Lohn und existenzsicherndem Einkommen?

Sowohl der existenzsichernde Lohn als auch das existenzsichernde Einkommen lassen sich aus der Idee ableiten, einen angemessenen Lebensstandard zu erreichen (wie oben definiert). Dabei wird das Konzept eines existenzsichernden Lohns auf kleinbäuerliche Haushalte angewendet. In Industrieländern sind Selbständige durch staatliche Sicherheitsnetze geschützt. Doch diese Sicherheitsnetze gibt es in Entwicklungsländern nicht. Das Konzept des existenzsichernden Einkommens schließt diese Lücke. Es richtet sich an Selbständige, insbesondere an Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Entwicklungsländern. Ein existenzsichernder Lohn bezieht sich auf eine(n) einzelne(n) Arbeitnehmer*in, während sich das existenzsichernde Einkommen auf einen Haushalt bezieht. Zudem ist der existenzsichernde Lohn eine monatliche Vergütung, während sich das existenzsichernde Einkommen auf eine jährliche Vergütung für einen bäuerlichen Haushalt bezieht, die aus all seinen Einkommensquellen gewonnen wird.

2.3 Wie wird ein existenzsichernder Lohn berechnet?

Die Berechnung des existenzsichernden Lohns erfolgt, indem zunächst ermittelt wird, wie hoch die Kosten für ein einfaches, aber angemessenes Leben in einer bestimmten Region sind. Diese beinhalten Lebensmittel, Wohnraum, Bildung, Gesundheitsversorgung, Transport, Kleidung und weiteren Grundbedarf für eine Familie, darunter die Vorsorge für unerwartete Ereignisse. Die genauen Kosten spiegeln lokale Artikel und Preise wider. Die Gesamtkosten für eine Familie werden dann durch die durchschnittliche Anzahl der berufstätigen Erwachsenen dividiert, damit der Beitrag der anderen Lohnempfänger*innen zum Familieneinkommen berücksichtigt wird. Dieser Wert gibt an, wie hoch das monatliche Nettoeinkommen eines Lohnempfängers bzw. einer Lohnempfängerin in einer bestimmten Region sein muss. Zum Schluss wird dieser existenzsichernde Nettolohn um Zinsen und Abzüge bereinigt.

Die Arbeitsgruppe folgt der Anker-Methode, um Benchmarks für existenzsichernde Löhne zu ermitteln, die international vergleichbar und lokal spezifisch sind. Die Anker-Methode wird von der internationalen Gemeinschaft weitgehend akzeptiert und von der Global Living Wage Coalition (GLWC) unterstützt. Die Methode hat globale Maßnahmen zum existenzsichernden Lohn angestoßen und wurde weltweit zur Schätzung von existenzsicherndem Lohn in ländlichen, städtischen und stadtnahen Gebieten eingesetzt. Die Benchmarks für existenzsichernden Lohn sind auf der GLWC-Website verfügbar. Ebenso Schätzungen für relevante bananenerzeugende Länder wie Ecuador, Kolumbien und Costa Rica. 

2.4 Was ist unter einer Lücke zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn zu verstehen?

Eine Lücke zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn ist die monetäre Differenz zwischen einer Benchmark für existenzsichernden Lohn und der tatsächlichen Nettovergütung eines Arbeitnehmers bzw. einer Arbeitnehmerin. Ein international anerkanntes Tool für die Bewertung von tatsächlicher Vergütung und Lohnlücken ist die IDH[1] Salary Matrix (siehe Kapitel 6.1.3).


[1] Weitere Informationen zur IDH: IDH – The Sustainable Trade Initiative (idhsustainabletrade.com)

 

 

 

2.5 Gibt es einen Unterschied zwischen dem existenzsichernden Lohn und dem „salario digno“ in Ecuador?

„Salario digno“ ist das Konzept des existenzsichernden Lohns nach ecuadorianischem Arbeitsrecht. Gemäß Artikel 328 der ecuadorianischen Verfassung muss der „salario digno“ ausreichen, um die eigenen Bedürfnisse und den Grundbedarf der Familie abzudecken. Diese Auffassung ähnelt sehr der Definition des existenzsichernden Lohns laut dem GLWC und der Anker-Methode (siehe Kapitel 2.3).

Der ecuadorianische Staat bestimmt den festen Mindestbetrag, den Arbeitnehmer*innen monatlich als Zahlung für ihre Arbeit oder Dienstleistung in einer öffentlichen oder privaten Einheit erhalten sollen. Das Arbeitsgesetzbuch sieht zudem vor, dass die Arbeitnehmer*innen neben dem normalen und regulären Lohn zusätzliche obligatorische Sozialleistungen erhalten sollen. Es besagt, dass Arbeitnehmer*innen auch Anspruch auf die Zahlung eines 13. und 14. Gehalts haben. Das 13. Gehalt entspricht einem Zwölftel der in einem Kalenderjahr erhaltenen Vergütung. Beim 14. Gehalt handelt es sich um eine zusätzliche Grundvergütung. Diese Zulagen können auch monatlich gezahlt werden.

Der Unterschied zwischen dem Konzept des existenzsichernden Lohns vom GLWC und dem „salario digno“ in Ecuador liegt in der Berechnungsmethode. In Kapitel 2.3 finden Sie eine Erklärung, wie ein existenzsichernder Lohn mit der Anker-Methode berechnet wird. Im Vergleich dazu besagt Artikel 8 des ecuadorianischen Biokodex für Produktion, Handel und Investitionen, dass der „salario digno“ den Kosten für die Grundversorgungsgüter einer Familie dividiert durch die Anzahl der Empfänger im Haushalt entsprechen muss. Die Kosten für die Grundversorgungsgüter und die Anzahl der Empfänger im Haushalt werden jährlich vom National Institute of Statistics and Census (INEC) ermittelt und dienen als Grundlage für die Festlegung des existenzsichernden Lohns durch das ecuadorianische Ministerium für Arbeit (MDT). Das MDT hat den Wert des existenzsichernden Lohns für das Jahr 2021 auf 445,41 USD netto festgelegt. Wenn man das 13. und 14. Gehalt plus Rücklagen addiert und den Sozialversicherungsbeitrag abzieht, müsste ein Angestellter bzw. eine Angestellte mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag, der bzw. die länger als ein Jahr arbeitet, im Jahr 2021 462,19 USD netto erhalten haben.

Im Vergleich dazu geht aus dem Benchmark-Bericht 2021 des GLWC hervor, dass sich der monatliche existenzsichernde Nettolohn für Arbeitnehmer*innen in ländlichen Bananenanbaugebieten an der Südküste Ecuadors auf 462 USD beläuft. Entsprechend müssten laut Gesetz alle Arbeitnehmer*innen in Ecuador, die einen offiziellen Vertrag haben und länger als ein Jahr beschäftigt waren, im Jahr 2021 einen existenzsichernden Lohn erhalten haben.

3. Umfang, Einführung und Roll-out von LW-Bananen
3.1 Welches Bananenvolumen ist im Rahmen dieser Initiative abgedeckt?

Der designierte Projektumfang umfasst die auf dem deutschen Markt verkauften Cavendish-Bananenportfolios der Mitglieder und deckt alle entsprechenden Sortimente bis auf explizit markengeschützte Bananen ab. Beim Einzelhandelsmitglied dm-drogerie markt – das als Einzelhändler keine frischen Bananen im Sortiment hat – sind verarbeitete Cavendish-Bananen in Eigenmarkenprodukten wie Säften oder Fruchtpürees im Produktumfang enthalten. Langfristig begrüßen die Mitglieder zudem eine enge Zusammenarbeit mit Bananen-Markenherstellern und die Einbeziehung markengeschützter Bananen in ihr Engagement, um existenzsichernde Löhne für alle Arbeitnehmer*innen in allen Bananenlieferketten weltweit zu fördern.

3.2 Wie sieht der Zeitrahmen für die Einführung und das Roll-out von LW-Bananen aus?

Die Einzelhändler*innen verpflichten sich zur Einführung und zum Roll-out von LW-Bananen nach folgenden zeitgebundenen Meilensteinen:

4. Definition einer LW-Banane
4.1 Was ist eine LW-Banane?

Darum geht es:

Diese Initiative zielt auf das Roll-out von LW-Bananen ab, die unter Einhaltung der Zahlung eines existenzsichernden Lohns für Arbeitnehmer*innen in der Bananenproduktion produziert werden. Die Einzelhändler*innen haben erkannt, dass die Gewährleistung existenzsichernder Löhne nur möglich ist, wenn die Verantwortung von allen relevanten Lieferkettenakteur*innen gemeinsam getragen wird.

Eine LW-Banane kann also entweder von einem Betrieb stammen, dem von den Einzelhändler*innen ein LW-Differenzpreis gezahlt wurde (siehe Kapitel 6.2.1), damit er vorherrschende Lohnlücken reduzieren oder schließen kann, oder von einem Betrieb, bei dem verifiziert wurde, dass sämtlichen Arbeitnehmer*innen in der Bananenproduktion bereits ein existenzsichernder Lohn gezahlt wird (siehe Kapitel 6.1.6 zum Mehrwert der Verifizierung). 

Weitere Informationen zu den Merkmalen einer LW-Banane finden Sie in Kapitel 4.2. Kapitel 7 bietet einen Überblick über die spezifischen Anforderungen an LW-Bananen, die in Beschaffungsvereinbarungen zwischen Einzelhändler*innen und ihren Geschäftspartnern verankert werden sollten.

Darum geht es nicht:

Dass die Einzelhändler*innen das Ziel haben, LW-Bananen zu kaufen, bedeutet nicht, dass sie die Lieferbeziehungen zu Betrieben beenden sollten, die ihren Arbeitnehmer*innen noch keinen existenzsichernden Lohn zahlen. Betriebe mit einer vorherrschenden Lohnlücke sollen stattdessen Unterstützung dabei erhalten, die Löhne der Arbeitnehmer*innen bis zur Erreichung eines existenzsichernden Lohns zu erhöhen.

Dass es sich bei einer Banane um eine LW-Banane handelt, bedeutet nicht zwangsläufig, dass es in dem Betrieb, in dem sie produziert wurde, keine Lücke zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn gibt. Eine LW-Banane kann von einem Betrieb stammen, der immer noch eine Lücke zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn aufweist, auch wenn dieser Betrieb an dem Projekt teilgenommen hat. Grund hierfür ist, dass Bananenproduzent*innen in der Regel an mehrere Käufer*innen und Märkte liefern. Damit vorherrschende Lücken zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn vollständig geschlossen werden können, ist eine Selbstverpflichtung sämtlicher relevanter Käufer*innen von entscheidender Bedeutung. Die Einzelhändler*innen übernehmen die Verantwortung für das LW-Bananenvolumen, das sie von ihren Lieferkettenpartner*innen kaufen. Eine vorherrschende Lohnlücke wird folglich durch die Zahlung des LW-Differenzpreises seitens des Einzelhändlers bzw. der Einzelhändlerin proportional reduziert – je nachdem, wie hoch der Anteil des von dem/der Einzelhändler*in gekauften Volumens in Relation zur Gesamtproduktion eines Betriebs ist (siehe Kapitel 6.2.5).

LW-Bananen dürfen kein zusätzliches Sortiment in den Regalen der Einzelhändler*innen sein. Stattdessen versuchen die Einzelhändler*innen, die LW-Kriterien in ihr gesamtes vorhandenes Bananenportfolio zu integrieren. LW-Bananen sollen zum Standard für Bananen werden, die von teilnehmenden Einzelhändler*innen auf dem deutschen Markt verkauft werden. Dies besagt eine Roadmap, die eine kontinuierliche Steigerung der Mengen vorsieht, bis im Jahr 2025 mindestens 50 % des Bananengesamtvolumens erreicht werden[1] (weitere Details finden Sie in Kapitel 3.2).


[1] Explizit ausgewiesene Bananen sind in der angegebenen Gesamtmenge nicht enthalten.

4.2 Welche Merkmale könnte eine LW-Banane besitzen?

Einzelhändler*innen möchten sich auf einen Umsetzungsrahmen für LW-Bananen einigen, um die Komplexität sowie die zusätzlichen Belastungen für Lieferant*innen und Produzent*innen zu reduzieren und die Wirkung durch gebündelte Anstrengungen zu skalieren.

Basierend auf dem aktuellen Stand der gezahlten Löhne werden verschiedene Elemente vorgeschlagen, um dem spezifischen Kontext und den Bedürfnissen eines Betriebs gerecht zu werden (siehe blaues Kästchen). Ausführlichere Überlegungen zur Implementierung dieser Elemente sind in Kapitel 6 zu finden. 

4.3 Welchen Beitrag leisten die Einzelhändler*innen zu den LW-Bananen?

Hauptziel dieser Initiative ist es, Produzent*innen dabei zu unterstützen, die Zahlung von existenzsichernden Löhnen für Arbeitnehmer*innen im Bananensektor zu erreichen und aufrechtzuerhalten und faire Arbeitsbedingungen voranzutreiben.

Betriebe mit einer vorherrschenden Lohnlücke sollten aus den Beschaffungsportfolios der Einzelhändler*innen nicht ausgeschlossen werden. Stattdessen verpflichten sich die Einzelhändler*innen dazu, Produzent*innen direkt zu unterstützen und zu entlohnen und auf eine Schließung der Lücke hinzuarbeiten, indem sie einen LW-Differenzpreis zahlen (Details siehe Kapitel 6.2).

Betriebe ohne vorherrschende Lohnlücke sollen gestärkt und unterstützt werden, um die Transparenz bezüglich Löhnen und Arbeitsstandards zu erhöhen und diese Informationen bei Preisverhandlungen mit Käufer*innen nutzen zu können. Dies soll Produzent*innen dabei unterstützen, langfristig und auch in unsicheren Zeiten hohe Lohn- und Arbeitsstandards aufrechtzuerhalten. Die Einzelhändler*innen sind für Gespräche über den Bedarf an zusätzlicher Unterstützung für Betriebe offen, die ihren Arbeitnehmer*innen bereits einen existenzsichernden Lohn zahlen. 

Sie erkennen an, dass die Zahlung von existenzsichernden Löhnen nur eine der Grundvoraussetzungen für faire Arbeitsbedingungen sind. Daher besteht ein weiteres Ziel dieser Initiative darin, andere arbeitsbezogene soziale Risiken von Arbeitnehmer*innen zu analysieren und Lösungen zur Vermeidung und Reduzierung dieser Risiken zu entwickeln (siehe Meilensteine 6 und 7 der Roadmap).

Weitere Selbstverpflichtungen der Einzelhändler*innen zur Förderung von Living-Wage-Bananen finden Sie in Kapitel 7.1.

5. Vorteile durch eine LW-Banane
5.1 Ich bin Produzent*in: Wie profitiere ich von dem Verkauf von LW-Bananen?

Produzent*innen könnten unter anderem von folgenden Vorteilen profitieren:

  • Produzent*innen mit einer vorherrschenden Lücke zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn könnten einen Preiszuschlag erhalten, damit sie den Arbeitnehmer*innen höhere Löhne zahlen können.
  • Produzent*innen, die an dieser Initiative teilnehmen, könnten von präferenziellen und langfristigen Beschaffungsvereinbarungen profitieren. 
  • Produzent*innen können ihre Meinung äußern und aktiv an der Transformation von Bananenlieferketten mitwirken, die auf fairen und inklusiven Geschäftsbeziehungen beruhen.
  • Produzent*innen könnten ihr Wissen erweitern und ihre Kapazitäten erhöhen, um Kriterien von Nachhaltigkeitszertifizierungen in Bezug auf existenzsichernde Löhne und faire Arbeitsbedingungen zu erfüllen.
  • Produzent*innen könnten ihr Wissen über ihre Mitarbeiter*innen und Lohnstrukturen erweitern, um das Personalmanagement entsprechend darüber zu informieren.
  • Produzent*innen könnten davon profitieren, dass ihre Mitarbeiter*innen zufriedener sind. Dies wiederum könnte zu einer höheren Arbeitsproduktivität führen.
  • Produzent*innen könnten von einem Reputationsgewinn profitieren. 
  • Produzent*innen könnten davon profitieren, dass bei der Zusammenarbeit der verschiedenen Akteur*innen Wissen geteilt und Netzwerke aufgebaut werden.
  • Die Harmonisierung von LW-Kriterien unter den Einzelhändler*innen ermöglicht Effizienzgewinne und reduziert den Aufwand, der durch den Umgang mit unterschiedlichen Anforderungen entsteht. Für weitere Angleichungen steht die Arbeitsgruppe in engem Austausch mit anderen europäischen Einzelhändler*innen.
5.2 Ich bin Bananenlieferant*in (Exporteur*in oder Importeur*in): Wie profitiere ich von dem Verkauf von LW-Bananen?

Lieferant*innen könnten unter anderem von folgenden Vorteilen profitieren:

  • Lieferant*innen, die LW-Bananen für die Einzelhändler*innen beschaffen, könnten von einem verbesserten Leistungsranking in der Lieferantenbewertung der Einzelhändler*innen profitieren. 
  • Lieferant*innen könnten ihr Wissen über die Arbeitsbedingungen von Bananenproduzent*innen ausbauen.
  • Lieferant*innen könnten von einem Reputationsgewinn profitieren.
  • Lieferant*innen können ihre Meinung äußern und aktiv an der Transformation von Bananenlieferketten mitwirken, die auf fairen und inklusiven Geschäftsbeziehungen beruhen.
  • Die Harmonisierung von LW-Kriterien unter den Einzelhändler*innen ermöglicht Effizienzgewinne und reduziert den Aufwand, der durch den Umgang mit unterschiedlichen Anforderungen entsteht. 

6. Erste Überlegungen zur Umsetzung des Verkaufs von LW-Bananen in der Praxis

Das blaue Kästchen unten bietet einen Überblick über die zentralen Elemente, die Version 1.0 von Living-Wage-Bananen bestimmen. Basierend auf gewonnenen Erkenntnissen und Feedback von Lieferant*innen, Produzent*innen und anderen Expert*innen sind ggf. Anpassungen und Änderungen vorzunehmen.

In den folgenden Unterkapiteln werden erste Überlegungen zur Umsetzung dieser vier zentralen Elemente in Bezug auf LW-Bananen in der Praxis angestellt. 

6.1 Sicherstellung von verifizierter, kontinuierlicher Transparenz bezüglich Lohnniveaus
6.1.1 Warum ist die Analyse von Löhnen auf dem Weg zu existenzsichernden Löhnen ein wichtiger erster Schritt?

Das Projekt zielt darauf ab, existenzsichernde Löhne im Bananensektor mithilfe von verschiedenen Instrumenten zu fördern. Zu diesen zählen beispielsweise verantwortungsbewusste Einkaufspraktiken, aktive und starke Arbeitnehmervertretungen, Transparenz bezüglich Löhnen und Arbeitsbedingungen und ein vertiefter Dialog zwischen Produzent*in und Lieferant*in. Daher ist ein umfassender Überblick über die Lohnsituation unerlässlich. Das Projekt soll insbesondere Betriebe mit einer vorhandenen Lohnlücke erreichen. Ganz wichtig ist, dass ein Betrieb durch eine vorherrschende Lohnlücke niemals aus dem Beschaffungsportfolio des Einzelhändlers bzw. der Einzelhändlerin ausgeschlossen würde. Ziel des Projekts ist es vielmehr, diesen Betrieben eine Schließung der Lücken zu ermöglichen, indem zusätzliche Zuschläge für existenzsichernde Löhne gezahlt werden. Produzent*innen, die ihren Arbeitnehmer*innen bereits einen existenzsichernden Lohn zahlen, sollen dabei unterstützt werden, diese hohen Sozialstandards aufrechtzuerhalten – auch in unsicheren Zeiten wie der aktuellen Pandemie. In beiden Fällen ist die Bewertung, Validierung und Überwachung von Lohnniveaus der Arbeitnehmer*innen im Bananensektor für folgende Zwecke erforderlich: 

  • Berechnung und Zahlung von Preiszuschlägen zur Schließung von Lücken
  • Unterstützung der Produzent*innen bei der Entwicklung von Plänen zur Lohnverbesserung, der Berechnung von Kosten und erforderlicher Preisaufschläge
  • Unterstützung der Lieferant*innen bei der Internalisierung von Kosten für Zahlungen von existenzsichernden Löhnen
  • Bewertung und Überwachung der Auswirkungen der Zahlungen von existenzsichernden Löhnen auf Lohnniveau und fairer Arbeitsbedingungen
  • Schaffung von Transparenz für Verbraucher*innen, um die Nachfrage nach nachhaltig produzierten Bananen zu steigern und mögliche Preissteigerungen zu rechtfertigen
6.1.2 Ich bin Bananenproduzent*in: Wie profitiere ich von der Teilnahme an der Lohnanalyse?

Neben der niederländischen Initiative[1] zählt unsere deutsche Initiative zu einer der zwei größten Bananeninitiativen, die jemals durch die gemeinsame Kooperation von Einzelhändler*innen durchgeführt wurde. Sie kann eine große Hebelwirkung haben.

Das Ausfüllen der Salary Matrix könnte für Produzent*innen Vorteile mit sich bringen:

  • Erhalt eines Zuschlags für existenzsichernde Löhne: Wenn in einem Betrieb eine Lohnlücke festgestellt wird, könnte dieser Betrieb ab 2022 von Einzelhändler*innen einen Zuschlag für existenzsichernde Löhne erhalten, um diese Lücke zu schließen.
  • Die Produzent*innen können die Projektgestaltung positiv beeinflussen und ihre eigene Sichtweise mit einbringen:
    • Das Feedback von den Produzent*innen zu den verschiedenen Maßnahmen ist sehr wertvoll für die Einzelhändler*innen und spielt bei der zukünftigen Projektentwicklung und -gestaltung eine wichtige Rolle.
    • Bei Betrieben, in denen bereits ein existenzsichernder Lohn gezahlt wird, soll mit diesem Projekt sichergestellt werden, dass sich in Zukunft keine Nachteile für diese Produzent*innen ergeben, die beispielsweise durch höhere Arbeitskosten entstehen könnten. Darüber hinaus sind die Einzelhändler*innen offen für Gespräche über mögliche Belohnungen für Betriebe, die ihren Arbeitnehmer*innen bereits einen existenzsichernden Lohn zahlen.
    • Es werden Dialogstrukturen initialisiert, durch die gewährleistet wird, dass alle Parteien ihre Meinung und Ideen zum Ausdruck bringen können.
  • Machen Sie sich mit der IDH Salary Matrix vertraut (siehe Kapitel 6.1.3) und seien Sie den neuen Kriterien der Rainforest Alliance für existenzsichernde Löhne einen Schritt voraus: Die Salary Matrix ist ein Tool, das die Rainforest Alliance für Lohnlückenanalysen verwendet und, mit Ausnahme von Ecuador, seit Juli 2021 eine Kernanforderung für die Erfüllung des Rainforest Alliance-Standards darstellt (Kernanforderung 5.4.1[2]). Bei dem Projekt wird eng mit der Rainforest Alliance zusammengearbeitet, um die neuen Anforderungen zu erproben und zur Erfüllung ebendieser die Kapazitäten der Betriebe zu stärken.
  • Angesichts der bereits geltenden und künftigen Gesetze zur Sorgfaltspflicht in Deutschland können Sie sich einen Marktvorteil verschaffen: Die Gesetzgebung rund um die Sorgfaltspflicht in Europa ist auf dem Vormarsch. Entsprechend sind die Forderung nach angemessenen Löhnen und der Nachweis von zunehmender Bedeutung.

[1] Die Personen hinter der deutschen und niederländischen Initiative stehen in ständigem Austausch. Die Initiativen zielen auf eine Angleichung ab, sind jedoch NICHT ein und dieselbe Initiative. Die niederländische Bananeninitiative wird von der IDH koordiniert. Hier finden Sie weitere Informationen zum Engagement der Niederlande: Engagement im Bananenhandel – IDH – The Sustainable Trade Initiative (idhsustainabletrade.com)

[2] Die kompletten Standards finden Sie unter: 2020-Sustainable-Agriculture-Standard_Farm-Requirements_Rainforest-Alliance.pdf

 

6.1.3 Wie werden Löhne analysiert? Was ist die Salary Matrix für ein Tool?

Die digitale IDH Salary Matrix wird als Tool für die Analyse von Löhnen und potenziellen Lohnlücken eingesetzt. Die Salary Matrix ist ein praktisches Tool, mit dem Sie auswerten können, wie hoch die Gesamtvergütung Ihrer Mitarbeiter*innen (einschließlich Löhnen, Bonuszahlungen, Geld- und Sachleistungen) im Vergleich zu den relevanten Benchmarks für existenzsichernde Löhne für Ihre Region ist. Das Tool unterstützt die Bemühungen der Lieferkette um Lohntransparenz und gemeinsame Verantwortung beim Umgang mit Lücken zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn.

Über hundert Bananenproduzent*innen weltweit haben die IDH Salary Matrix bereits getestet. Zudem verwenden wir die Salary Matrix, da eine konsistente und abgestimmte Analyse von Lücken zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn entscheidend ist für die Effektivität und Glaubwürdigkeit von Strategien zur Schließung von Lücken und zur Erzielung angemessener Lebensstandards für Arbeitnehmer*innen.

Bei einigen Nachhaltigkeitszertifizierungen werden Produzent*innen bereits dazu aufgefordert, die Löhne der Arbeitnehmer*innen und potenzielle Lohnlücken mit der Salary Matrix zu bewerten. Die Arbeitsgruppe begrüßt alle Bemühungen der standardsetzenden Organisationen, auf eine einheitliche Methode zur Analyse von Löhnen und Lohnlücken hinzuarbeiten. Durch diese Einheitlichkeit wird Klarheit gewährleistet. Ferner werden Komplexitäten und Ineffizienzen für Produzent*innen reduziert.

Produzent*innen und Lieferant*innen, die noch nicht mit der digitalen Salary Matrix vertraut sind, finden auf der IDH-Website Schulungsvideos, Leitfäden und Support. Wir empfehlen dringend, sich diese Ressourcen anzuschauen, da sie das Ausfüllen der Salary Matrix wesentlich erleichtern.

Ausführlichere Informationen zum Salary Matrix-Tool finden Sie unter: IDH Salary Matrix für existenzsichernde Löhne – IDH – The Sustainable Trade Initiative (idhsustainabletrade.com)

6.1.4 Wie stehen die Einzelhändler*innen zu der Ausnahmerichtlinie der Rainforest Alliance hinsichtlich des Einsatzes der Salary Matrix in Ecuador?

Hintergrund: Die Rainforest Alliance hat die Ausnahmerichtlinie für den Einsatz der Matrix für existenzsichernde Löhne in Ecuador autorisiert, da sie der Ansicht ist, dass die Anforderungen der ecuadorianischen Gesetzgebung und die Verfahren zur Gewährleistung eines existenzsichernden Lohns die Anforderungen übertreffen, die im Standard für nachhaltige Landwirtschaft der RA für Betriebe und die Lieferkette aufgeführt sind. Daher gilt Folgendes: Zertifikatsinhaber in Ecuador, die die Rechtsvorschriften des Landes einhalten müssen, müssen Anhang S8 der Salary Matrix nicht anwenden. Die Zertifikatsinhaber sind dazu verpflichtet, den Zertifizierungsstellen Zugang zu sämtlichen Informationen zu gewähren, anhand denen überprüft werden kann, ob die gesetzlichen Anforderungen an den existenzsichernden Lohn eingehalten wurden, sowie auf entsprechende Belege, die von den zuständigen staatlichen Behörden ausgestellt werden.

Position der Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels: Die Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels hat sich darauf geeinigt, die Ausnahmerichtlinie der Rainforest Alliance zum Einsatz der Salary Matrix in Ecuador zu akzeptieren. Dadurch soll in erster Linie eine Doppelbelastung für Rainforest Alliance-zertifizierte Produzent*innen in Ecuador vermieden werden. Zur Erfüllung der Beschaffungskriterien der deutschen Einzelhändler*innen müssen Bananenproduzent*innen ab 2023 nur die Lohndatenanalyse der Regierung ausfüllen und NICHT zusätzlich noch die Salary Matrix. Dabei wird auch berücksichtigt, dass die Lohndaten, die von der ecuadorianischen Regierung in das Lohnüberwachungstool eingegeben werden, detaillierter sind als die Daten, die in die Salary Matrix eingegeben werden. Mit dieser Entscheidung erkennt die Arbeitsgruppe auch die Arbeit und Bemühungen der ecuadorianischen Regierung zur Sicherstellung eines angemessenen Lohns an.

6.1.5 In Ecuador ist die Zahlung eines „salario digno“ gesetzlich vorgeschrieben. Warum muss ich diese Analyse trotzdem machen?

Wir wissen, dass die Lieferant*innen und Produzent*innen bei den Bemühungen um existenzsichernde Löhne im Bananensektor an vorderster Front stehen. Mit unserem Engagement möchten wir diese Bemühungen verstärken und versuchen, den Prozess gemeinsam zu beschleunigen.

Auch wenn das Lohnniveau in Ecuador relativ hoch ist und aktuelle Erkenntnisse darauf hindeuten, dass die Lücken zwischen den vorherrschenden Löhnen und der Benchmark für existenzsichernde Löhne klein sind (sofern es überhaupt Lücken gibt), liegen noch keine näheren Informationen zur Lohnsituation der Arbeitnehmer*innen in unseren Bananenlieferketten der deutschen Einzelhändler*innen vor.

Damit wir uns einen umfassenden Überblick über die Lohnsituation verschaffen können, zielen wir auf eine Analyse von Lohnlücken für so viele ecuadorianische Lieferant*innen wie möglich ab, gefolgt von einer erweiterten Analyse von Lohnlücken in anderen relevanten Beschaffungsländern, um alle unsere Bananenlieferketten abzudecken. 

Neben der niederländischen Initiative[1] zählt unsere deutsche Initiative zu einer der zwei größten Bananeninitiativen, die jemals durch die gemeinsame Kooperation von Einzelhändler*innen durchgeführt wurde. Sie kann eine große Hebelwirkung haben. Die Lohnlückenanalyse ist ein entscheidender Schritt bei der Suche nach Möglichkeiten und Lösungen zur Verbesserung der Lohnsituation von Millionen von Landarbeiter*innen. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie ein Teil davon werden.


[1] Die Personen hinter der deutschen und niederländischen Initiative stehen in ständigem Austausch. Die Initiativen zielen auf eine Angleichung ab, sind jedoch NICHT ein und dieselbe Initiative. Die niederländische Bananeninitiative wird von der IDH koordiniert. Hier finden Sie weitere Informationen zum Engagement der Niederlande: Engagement im Bananenhandel – IDH – The Sustainable Trade Initiative (idhsustainabletrade.com)

6.1.6 Warum ist es wichtig, Informationen zu Lohnlücken zu überprüfen?

Überall auf der Welt gibt es Projekte zum Thema existenzsichernde Löhne, die von verschiedenen Gruppen von Partnern und Stakeholdern geleitet werden. Mit dem wachsenden Fokus auf dieses wichtige Thema steigt auch der Bedarf nach Einheitlichkeit bei der Berechnung von Lücken zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn. Eine konsistente und abgestimmte Analyse von Lücken zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn ist entscheidend für die Effektivität und Glaubwürdigkeit von Strategien zur Schließung von Lücken und zur Erzielung angemessener Lebensstandards für Arbeitnehmer*innen. Für Käufer*innen oder Händler*innen mit Lieferkettenpartner*innen überall auf der Welt ist eine Angleichung des Konzepts des existenzsichernden Lohns und der Messung von Lücken zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn von grundlegender Bedeutung für den Aufbau von Vertrauen und die Möglichkeiten zur Ausweitung. Bei Produzent*innen und Hersteller*innen, die darum gebeten werden, die Lücke zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn auf Produktionsebene zu berechnen, sorgt die Einheitlichkeit für Klarheit und weniger Ineffizienzen.

6.2 Living wage gap analysis
6.2.1 In dem ecuadorianischen Lohnlückenbericht steht, dass das Projekt auf die „Salario Digno“ Politik in Ecuador bezieht. Was genau ist der Living Wage Referenzwert, der für die Analyse angesetzt wurde?

Als Living Wage Referenzwert für den Lohnlückenbricht diente die Anker-Methodik mit dem – in diesem Fall – für Ecuador relevantem Benchmark. Im Rahmen des Projekts Living Wage Banane werden alle von IDH anerkannten Benchmarks berücksichtigt. Das Projekt bezieht sich insofern auf die „Salario Digno“ Politik Ecuadors, als dass durch die Lohnlückenanalyse festgestellt werden sollte, ob die Plantagen mit den gesetzlichen Regelungen konform gehen.  Im Einzelnen bedeutet das Folgendes:

Das „Salario Digno“ bezieht sich auf dasjenige Konzept eines existenzsichernden Lohns, wie es im ecuadorianischen Arbeitsrecht definiert ist. Nach Artikel 328 der ecuadorianischen Verfassung muss es angemessen sein, um sowohl die eigenen Bedürfnisse als auch die Grundbedürfnisse der Familie zu decken. Dieses Verständnis ist ähnlich der Definition existenzsichernder Löhne, die vom GLWC und der Anker-Methodik unterstützt wird.

Der ecuadorianische Staat legt den Mindestbetrag fest, den ein Arbeitnehmer monatlich als Entgelt für seine Arbeit oder Dienstleistung für eine öffentliche oder private Einrichtung erhalten muss. Zusätzlich erhalten Arbeiterinnen und Arbeiter Sozialleistungen sowie ein 13. als auch ein 14. Monatsgehalt.

Der Unterschied zwischen dem Konzept des existenzsichernden Lohns, das von der Global Living Wage Coalition (GLWC) definiert wird, und dem „Salario Digno“ in Ecuador liegt in der Berechnungsmethode. Das Arbeitsministerium hat den Wert des existenzsichernden Lohns für 2021 bei 445,41 US-Dollar netto angesetzt. Inklusive des 13. und 14. Gehalts und abzüglich der Sozialversicherung für einen Arbeitnehmer mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag, sollte ein*e Arbeiter*in rechnerisch im Jahr 2021 462,19 US-Dollar netto erhalten haben.

Im Vergleich dazu weist der Benchmark-Bericht 2021 der GLWC einen monatlichen existenzsichernden Nettolohn von 462 US-Dollar für Arbeiter*innen in ländlichen Bananenanbaugebieten an der Südküste Ecuadors aus.

Im Fall von Ecuador liegen der Anker Benchmark und der lokal definierte “Salario Digno” also sehr eng beisammen. Daher legen die durch die Produzent*innen gelieferten Daten aus der “Salary Matrix” erst einmal nahe, dass in den meisten Fällen Löhne mindestens in Höhe des Anker Benchmarks und des Salario Digno gezahlt werden. Wie im Report betont, ist eine Verifizierung dieser Daten essentiell, um verlässliche Aussagen treffen zu können.

6.2.2 Wie ist der Projektansatz zu verstehen? Der Bericht zeigt schließlich erst einmal an, dass Arbeitgeber Mindestlöhne zahlen. Wie kann das eingeordnet werden?

Der Projektansatz ist unabhängig von nationalen Politiken wie dem Salario Digno. Er sieht für Ecuador und alle anderen relevanten Bezugsländer u. a. vor, dass mögliche Lohnlücken ermittelt werden (Meilenstein 3 der Roadmap). Für diese Ermittlung werden immer der Anker LW Benchmarks oder ein anderer von IDH anerkannter Benchmark als Referenzwert verwendet und mit tatsächlichen Lohnniveaus, ermittelt über die IDH Salary Matrix, verglichen. Wo möglich werden jene Benchmarks verwendet, die öffentlich zugänglich auf der Website der Global Living Wage Coalition zu finden sind. Diese Benchmarks werden dann herangezogen und mit den Reallöhnen verglichen.

Im Projekt steht nicht der ecuadorianische Mindestlohn im Fokus, sondern das so genannte „Salario Digno“. In dem Projekt gilt es herauszufinden, wie eventuelle Lohnlücken sinnvoll geschlossen werden können. Ecuador hat dabei eine Sonderstellung, da es als einziges Land der Region ein „Salario Digno“ in seiner Verfassung garantiert. Nichtsdestotrotz gibt es Farmen, die nicht allen Arbeitern das „Salario Digno“ bezahlen, wie die Analyse gezeigt hat.

Um einen umfassenden Überblick über die Lohnsituation zu erhalten, ist eines der Projektziele, die Lohnlücken der ecuadorianischen Produzenten zu analysieren und herauszufinden, warum es diese Lücken weiterhin gibt. Diese Analyse wird gefolgt von einer ausführlichen Prüfung der Lohnunterschiede in anderen relevanten Beschaffungsländern, um schrittweise alle Bananenlieferketten der in der AG agierenden Einzelhändler abzudecken.

Wie im Bericht betont, müssen die Ergebnisse der Lohnlückenanalyse tiefergehend verifiziert werden. Schließlich basieren die Ergebnisse auf Aussagen der Produzent*innen, die durch das Ausfüllen der IDH Salary Matrix getätigt wurden. Für den veröffentlichten Bericht wurden Daten einer Stichprobe an Farmen validiert, aber nicht verifiziert. Momentan (Stand: Mai 2023) plant die AG weitere Maßnahmen zur Verifizierung von Lohndaten und Steigerung der Datenqualität.

6.2.3 Was ist mit „Validierung“ der Lohndaten im ecuadorianischen Lohnlückenbericht gemeint?

Wie im Bericht beschrieben wurden für alle erhaltenen Salary Matrizen Plausibilitätschecks seitens der beauftragten Gutachter*innen durchgeführt, um mögliche Fehler, die möglicherweise beim Befüllen der Matrizen geschehen sind, zu identifizieren (z. B. Verhältnis zwischen angegebener Produktionsfläche und Anzahl an Arbeitenden) sowie Plausibilitätsprüfungen durchzuführen. U. a. basierend auf den Ergebnissen dieser ersten Checks wurden stichprobenartig Remote-Checks durchgeführt (Validierung der Daten). Teil dieser Remote-Checks war ein virtuelles Interview der Gutachter*innen mit den verantwortlichen Nutzer*innen der Salary Matrix auf Farmebene. Hier wurden die Salary Matrix Daten abgeglichen mit Dokumentationen aus den Gehaltsabrechnungs- und Zeiterfassungssystemen der Farmen. Dieses Vorgehen einer remote-Validierung wurde gewählt, da unter anderem aufgrund von Restriktionen durch pandemiebedingte Hygienevorschriften keine Vor-Ort-Verifizierungen durchgeführt werden konnten. Risiko solcher remote-Validierungen ist, z. B. dass keine Interviews vor Ort mit den Arbeitenden selbst geführt werden können und dass unbezahlte oder übermäßige Überstunden ggf. nicht aufgedeckt werden, was die Analyseergebnisse in ein anderes Licht rücken würde. Somit ist zukünftig eine On-Site-Verifizierung von Lohndaten eines der zentralen Ziele des Projekts.

6.2.4 Im Bericht steht, dass eine „large-scale-verification of wage data in the field” bisher nicht möglich war. Ist eine Verifizierung der Angaben geplant? Falls ja: Gibt es schon Pläne, wie hier Gewerkschaften einbezogen werden sollen?

Um noch verlässlichere Lohndaten zu erhalten sind kurzfristige und langfristige Maßnahmen geplant. Zurzeit läuft bereits der nächste Lohnanalyseprozess für Salary Matrix Daten aus 2022, dieses Mal nicht nur für Ecuador, sondern für alle relevanten Bezugsländer. Dieser Prozess erfolgt in Abstimmung mit den anderen europäischen Einzelhandels-Initiativen zu LW (siehe Agreement vom Juni 2022). Seitens der deutschen AG ist geplant, unabhängige Auditoren für die On-Site-Verifizierung der Salary Matrix Daten einer Stichprobe auf den beteiligten Farmen zu beauftragen. Die Umsetzung soll ab Sommer 2023 erfolgen, sobald alle Salary Matrix Daten seitens der Produzenten eingegangen sind. Dieser Prozess erfolgt zusätzlich zu den regulären Audits von Rainforest Alliance und Fairtrade. Auch hier sind wir in Absprache mit den anderen europäischen Einzelhandels-Initiativen, um über deren Beteiligung an diesem Verifizierungsprozess möglichst noch mehr Farmen abdecken zu können. Dieser Prozess soll auch genutzt werden, um nochmal strukturiert aufzubereiten, welche Ursachen und Herausforderungen zu der bislang eher geringen Qualität der Lohndaten beitragen.

Neben dieser kurzfristigen Maßnahme sondiert die AG derzeit Optionen, wie sie zu einer langfristigen Verbesserung der Lohndatenqualität und robusterer Verifizierungsmechanismen beitragen kann. U. a. ist die AG im Gespräch mit Rainforest Alliance zu einer möglichen Unterstützung eines Capacity Building Programms für Produzenten zur Aufbereitung von Lohndaten und Nutzung der Salary Matrix. Dies könnte ein wichtiger Schritt sein, um langfristig die Lohndatenqualität zu steigern. Fairtrade bietet ein solches Programm bereits für Fairtrade-zertifizierte Plantagen an. Aus Sicht der AG ist es zudem essentiell, dass die Standards bei den relevanten Auditoren entsprechende Kapazitäten zur Verifizierung von Salary Matrix Daten aufbauen. Auch hierzu ist die AG im Austausch mit den Standards. Die Einbeziehung von Gewerkschaftsvertretern in Verifizierungsprozesse sieht die AG als eine interessante Option, die aber erstmal weiter im kleinen Pilotrahmen geprüft werden sollte. ALDI Süd hat bereits ein erstes Pilotprojekt umgesetzt und und die Erkenntnisse daraus veröffentlicht, da Living Wage Projekte immer von einem Austausch solcher Erkenntnisse und best practices profitieren. Im Fall Ecuadors gestaltet sich die Situation schwierig: Relevante Arbeitnehmervertretungen haben sehr kontroverse Positionen.

6.2.5 Es gibt Berichte darüber, dass eine exzessive Anwendung von Stücklohn und die Vermeidung von Anstellungen mit Sozialversicherung genutzt werden, um Löhne zu drücken. Werden diese Themen in der Erhebung der Lohnlückenanalyse erfasst?

Die Arbeitsgruppe ist sich bewusst, dass die Angaben, die über die „Salary Matrix“ erhoben wurden, ggf. nicht alle relevanten Komponenten berücksichtigen, sondern zunächst auf den Angaben der Produzent*innen basieren. Es besteht die Hypothese, dass es Ungenauigkeiten und Fehler in den Angaben gibt, denen vielschichtige Ursachen zugrunde liegen: Diese reichen von unzureichenden Kapazitäten der Produzenten in der korrekten Anwendung der Salary Matrix, über Gehaltsabrechnungssysteme, die Arbeitszeiten und Überstunden nicht ausreichend abbilden bis hin zum Risiko, dass kein*e Produzent*in offenlegen möchte, nicht mit dem Gesetz bzw. der Verfassung konform zu sein.

Daher werden Vor-Ort-Verifizierungen als zwingend notwendig erachtet, um die Angaben zu überprüfen. Vor allem Interviews mit Arbeiter*innen sind dabei notwendig. Das könnte ein Ansatz sein, bei dem die relevanten Gewerkschaften unterstützen können in Zusammenarbeit mit den Auditoren: Interviews mit den Arbeiter*innen, die auf den untersuchten Farmen arbeiten, um die Daten zu verifizieren. Wichtig ist es hierbei, auf einen möglichst skalierbaren Ansatz hinzuarbeiten, der auf die Vielzahl von zuliefernden Farmen angewandt werden kann.

Zuletzt sei erwähnt, dass die Gruppe als unabdingbar erachtet, dass nationale Institutionen einbezogen werden müssen, um z. B. das Sozialversicherungssystem in die Betrachtung zu nehmen. Nur die nationalen Institutionen, wie z. B. die Arbeitsministerien, können Änderungen im Zusammenhang mit sozialer und gesundheitlicher Absicherung vornehmen.

6.3 Zahlung eines LW-Differenzpreises zur Reduzierung von Lohnlücken
6.3.1 Was ist ein LW-Differenzpreis?

Ein LW-Differenzpreis ist ein Preisaufschlag, der von den Einzelhändler*innen pro Bananenkiste zusätzlich zum Selbstkostenpreis für Bananenvolumen gezahlt wird, die diese als LW-Bananen kaufen. Durch die Zahlung dieses LW-Differenzpreises möchten die Einzelhändler*innen zur Reduzierung der vorherrschenden Lücke zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn beitragen.

6.3.2 Wie hoch ist der LW-Differenzpreis, den die Einzelhändler*innen zahlen?

Es gibt keinen allgemeinen LW-Differenzpreis. Das heißt, jede(r) Einzelhändler*in muss möglicherweise einen anderen Preisaufschlag zahlen. Warum: Einzelhändler*innen erhalten Bananen von einer Vielzahl an Betrieben – einige davon haben kleinere Lohnlücken, andere größere und wieder andere haben gar keine Lohnlücke. Bei der Berechnung des LW-Differenzpreises werden der individuelle Kontext und die Bedürfnisse der Bananenbetriebe berücksichtigt. In der Pilotphase im Jahr 2022 wurden Mechanismen zur Berechnung des LW-Differenzpreises bei Produzent*innen, Lieferant*innen, Einzelhändler*innen und standardsetzenden Organisationen getestet.

6.3.3 Was ist ein LW-Zuschlag?

Ein LW-Zuschlag ist ein Preisaufschlag, den ein(e) Produzent*in für die Produktion und den Verkauf von LW-Bananen zusätzlich zu dem CIF-/FOB-/Ab-Hof-Preis erhält. Der LW-Zuschlag soll zur Reduzierung vorherrschender Lücken zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn dienen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die vorherrschende Lücke zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn sämtlicher Arbeitnehmer*innen nur dann abgedeckt werden kann, wenn 100 % des Gesamtvolumens der von einem Betrieb produzierten Bananen mit dem LW-Zuschlag gekauft werden. Siehe Kapitel 6.2.5.

6.3.4 Wie wird der LW-Zuschlag berechnet?

Die Höhe des LW-Zuschlags ist basierend auf validierten und/oder verifizierten Informationen zu Lohnlücken zu berechnen und sollte die Kosten der Produzent*innen für die Zahlung von existenzsichernden Löhnen an ihre Arbeitnehmer*innen berücksichtigen. Sämtliche Arbeitnehmer*innen eines Betriebs, einschließlich der Arbeitnehmer*innen an Packstationen, sind zu berücksichtigen.

Es ist wichtig, dass die unterschiedlichen Lohnniveaus in einem einzelnen Betrieb berücksichtigt werden, die sich durch verschiedene Aufgaben, Positionen, Verträge usw. ergeben. Dies bedeutet, dass einige Arbeitnehmer*innen in einem Betrieb möglicherweise weniger als einen existenzsichernden Lohn verdienen und andere Arbeitnehmer*innen mehr. Ein LW-Zuschlag sollte zumindest die Kosten widerspiegeln, die bei der Erhöhung von Löhnen derjenigen Arbeitnehmer*innen auf einen existenzsichernden Lohn entstehen, deren Lohn unterhalb dieser Grenze liegt. Zudem sollte der LW-Zuschlag die potenzielle Kostenerhöhung für Produzent*innen abdecken, die z. B. durch höhere Sozialversicherungsbeiträge bedingt durch höhere Lohnniveaus entsteht.

Ein Ansatz, bei dem sämtliche oben genannten Überlegungen berücksichtigt werden, ist das GIZ Living Wage Costing Tool (Kostenrechnungstool für existenzsichernde Löhne), mit dem Produzent*innen den LW-Zuschlag berechnen können (siehe Kapitel 6.2.6). In der Pilotphase im Jahr 2022 wurde das Living Wage Costing Tool bei Produzent*innen, Lieferant*innen und Einzelhändler*innen eingesetzt. Gewonnene Erkenntnisse werden geteilt.

6.3.5 Wird allen Arbeitnehmer*innen in einem Betrieb durch den LW-Zuschlag mindestens ein existenzsichernder Lohn gezahlt?

In den meisten Fällen liefern die Betriebe an verschiedene Käufer*innen, die die Ware wiederum an andere Einzelhändler*innen weiterverkaufen.

Die Einzelhändler*innen übernehmen die Verantwortung für das LW-Bananenvolumen, das sie von ihren Lieferkettenpartner*innen kaufen. Die vorherrschende Lohnlücke eines Betriebs wird folglich durch die Zahlung des LW-Zuschlags proportional reduziert – je nachdem, wie hoch der Anteil des von dem/der Einzelhändler*in gekauften Volumens in Relation zur Gesamtproduktion eines Betriebs ist.

Die Einzelhändler*innen gehen mit einem guten Beispiel voran und teilen ihren Ansatz öffentlich mit anderen, um diese zum Mitmachen zu motivieren. Wenn 100 % des Bananengesamtvolumens eines Betriebs von allen relevanten Käufer*innen mit diesem LW-Differenzpreis gekauft würden, könnte die Lücke zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn für alle Arbeitnehmer*innen geschlossen werden.

Solange nicht 100 % des Volumens mit einem LW-Zuschlag gekauft werden, reichen die erhaltenen LW-Zuschläge unter Umständen nicht aus, um LW-Lücken für alle Arbeitnehmer*innen zu schließen. Eine faire Verteilung dieser LW-Zuschläge auf alle Arbeitnehmer*innen verringert den positiven Effekt auf die einzelnen Arbeitnehmer*innen, könnte aber dennoch wichtig sein, um soziale Not zu vermeiden. Arbeitnehmer*innen sollten in den Prozess miteinbezogen werden, damit eine Akzeptanz der Maßnahmen gewährleistet ist.

6.3.6 Was ist das LW Costing Tool?

Das LW Costing Tool ist ein praktisches Tool, mit dem Bananenproduzent*innen die zusätzlichen Kosten berechnen können, die ihnen durch die Zahlung eines existenzsichernden Lohns an ihre Arbeitnehmer*innen entstehen. Das Tool basiert auf anerkannten Benchmarks für existenzsichernde Löhne und produzentenspezifischen Lohndaten – idealerweise auf den Ergebnissen der IDH Salary Matrix.

Zusätzliche Kosten werden als zusätzliche Arbeitsgesamtkosten (eine Summe) oder als zusätzliche Kosten pro Kiste/kg (basierend auf dem Produktionsvolumen) angezeigt. Die Ergebnisse des Tools sollen Produzent*innen oder Lieferant*innen bei ihren Preisverhandlungen unterstützen.

Damit berücksichtigt wird, dass die verschiedenen Betriebe im Hinblick auf das Schließen der Lücke unterschiedliche Kompetenzen und/oder Präferenzen haben, bietet das Tool verschiedene Optionen oder Szenarien. In den Szenarien wird angegeben, wie und in welchem Umfang die Löhne erhöht werden. Es folgen Beispiele für solche Szenarien:

  • Schließen der LW-Lücke durch Erhöhung der Löhne aller Arbeitnehmer*innen auf einen existenzsichernden Lohn
  • Schließen der LW-Lücke durch einen bestimmten Prozentsatz, z. B. 50 %
  • Schließen der LW-Lücke durch Erhöhung der Löhne aller Arbeitnehmer*innen auf einen existenzsichernden Lohn und zusätzliche Lohnerhöhung für alle Arbeitnehmer*innen, deren Lohn bereits über dem LW lag
6.3.7 Welche Betriebe können einen LW-Zuschlag erhalten?

Hauptziel der Initiative ist die Förderung von existenzsichernden Löhnen für alle Arbeitnehmer*innen im Bananensektor. Die Einzelhändler*innen verpflichten sich dazu, den LW-Differenzpreis an die Betriebe mit vorherrschenden Lohnlücken zu zahlen, die diese mit LW-Bananen beliefern. In allen Ländern mit Ausnahme von Ecuador (siehe Kapitel 6.1.4) ist es Voraussetzung, dass der/die Produzent*in eine zumindest validierte Salary Matrix einreicht, aus der eine vorherrschende Lücke zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und einem existenzsichernden Lohn hervorgeht, um Anspruch auf den LW-Zuschlag zu haben. Im Falle von Ecuador reicht es aus, wenn validierte Lohndaten über das Regierungstool übermittelt werden. Ecuadorianische Produzent*innen könnten die Salary Matrix trotzdem auf freiwilliger Basis nutzen. Weitere Details zu den Anforderungen für Produzent*innen an den Verkauf von LW-Bananen finden Sie in Kapitel 7.3.

Die Einzelhändler*innen erkennen die Bemühungen und ergriffenen Maßnahmen der Betriebe an, die bereits Lohnlücken geschlossen haben. Diese Betriebe sollten bei der Aufrechterhaltung der Lohnniveaus ihrer Arbeitnehmer*innen unterstützt werden (siehe Kapitel 4.3).

7. Kriterien von LW-Bananen für Beschaffungsverträge
7.1 Ich bin Einzelhändler*in: Welche Kriterien muss ich erfüllen, wenn ich LW-Bananen verkaufen möchte?

Folgende Kriterien könnten in die Beschaffungsvereinbarungen für LW-Bananen zwischen Einzelhändler*innen und ihren Lieferant*innen für die Saison 2023 aufgenommen werden:

  • Jede(r) Einzelhändler*in verpflichtet sich dazu, gemäß dem in der Arbeitsgruppe vereinbarten Ansatz zur Berechnung des LW-Differenzpreises zusätzlich zu dem mit den Lieferant*innen vereinbarten Selbstkostenpreis pro Bananenkiste einen LW-Differenzpreis zu zahlen.
  • Wenn ein(e) Lieferant*in eines der oben aufgeführten Kriterien nicht erfüllt (siehe Kaptitel 7.2), muss der/die Einzelhändler*in Kontakt mit dem/der Lieferant*in aufnehmen, um gemeinsam die Gründe und Bedenken zu besprechen und nach Lösungen zu suchen. Im Allgemeinen verpflichtet sich jede(r) Einzelhändler*in dazu, jegliches Feedback und potenzielle Risiken hinsichtlich der Umsetzung dieser LW-Selbstverpflichtung mit seinen Lieferkettenpartner*innen zu besprechen – insbesondere mit Produzent*innen im Rahmen des Produzent*innendialogs.
  • Jede(r) Einzelhändler*in hat seine Geschäftspartnerschaft und die aus Ecuador bezogene Menge im Vergleich zu den Vorjahren auf einem konstanten Niveau zu halten. Damit verbunden ist das Ziel, die Beschaffung bei bereits etablierten Produzent*innen, Kleinbäuerinnen und Kleinbauern inbegriffen, fortzusetzen oder auszuweiten. Jede(r) Einzelhändler*in sollte langfristige Lieferbeziehungen zwischen seinen Lieferant*innen und Produzent*innen fördern.
  • Jede(r) Einzelhändler*in muss seine Preispolitik für Living-Wage-Bananen in einer umfassenden Analyse von Preis- und Kostenstrukturen entlang von Bananenlieferketten und ermittelten Lohnlücken auf Produktionsebene aufbauen. Im Einklang mit dem Kartellrecht werden die Mitglieder der Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels untereinander ausschließlich auf abstrakter Basis bzw. unter Bezugnahme auf öffentlich zugängliche Informationen Handelsparameter besprechen. Zu keinem Zeitpunkt werden sie wettbewerblich sensible/strategische Daten austauschen oder diskutieren.
  • Jede(r) Einzelhändler*in trägt zur Entwicklung, Testung und Skalierung von Ansätzen bei, die eine gemeinsame Verantwortung entlang der eigenen Bananenlieferketten gewährleisten.
  • Jede(r) Einzelhändler*in fördert das Mapping und die Nachverfolgbarkeit von Bananenlieferketten: Im Laufe des kontinuierlichen Roll-outs von Volumen, die als Living-Wage-Bananen beschafft werden (siehe Kapitel 3), streben die Mitglieder eine Umstellung von einem Massenbilanzansatz auf vollständig nachverfolgbare Lieferketten an.
  • Ziel eines jeden Einzelhändlers und einer jeden Einzelhändlerin ist es, das Verbraucherbewusstsein zu schärfen und die Nachfrage nach nachhaltig produzierten Bananen zu steigern, indem er/sie die Transparenz und Anerkennung der Bemühungen zur Gewährleistung einer nachhaltigen Bananenproduktion, insbesondere seitens der Produzent*innen und Lieferant*innen, fördert.
  • Jede(r) Einzelhändler*in muss der GIZ über einige Indikatoren Bericht erstatten, damit das Beschaffungsvolumen von LW-Bananen und die getätigten Zahlungen in Form von LW-Differenzpreisen während jeder Saison überwacht werden können (spezifische Indikatoren müssen noch vereinbart werden). Die GIZ gibt die gemeldeten Informationen nicht an Dritte weiter, insbesondere nicht an andere Mitglieder der Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels. Die Berichterstattung der GIZ erfolgt ausschließlich in aggregierter und anonymisierter Form.
7.2 Ich bin Bananenlieferant*in (Importeur*in oder Exporteur*in): Welche Kriterien muss ich erfüllen, wenn ich LW-Bananen verkaufen möchte?

Folgende Kriterien könnten in die Beschaffungsvereinbarungen für LW-Bananen zwischen Einzelhändler*innen und ihren Lieferant*innen für die Saison 2023 aufgenommen werden:

  • Lieferant*innen dürfen LW-Bananen nur von Produzent*innen beziehen, die die in Kapitel 7.3 aufgeführten Kriterien erfüllen.
  • Erfüllt ein(e) Produzent*in eines dieser Kriterien nicht, muss der/die Lieferant*in Kontakt mit dem/der Produzent*in aufnehmen, um die Gründe und Bedenken zu besprechen und nach Lösungen suchen. Die Lieferant*innen haben den/die entsprechende(n) Einzelhändler*in über solche Fälle zu informieren.
  • In gegenseitigem Einvernehmen zwischen Produzent*innen und Lieferant*innen leiten Lieferant*innen Dokumentation zu Lohnlückenanalysen an ihre Kund*innen im Einzelhandel weiter. Es wird dringend empfohlen, aus Gründen des Datenschutzes zwischen Produzent*innen, Lieferant*innen und Einzelhändler*innen, die diese Daten teilen, eine formelle gegenseitige Vereinbarung zu treffen.
  • Die Lieferant*innen haben LW-Differenzpreise pro Einzelhändler*in basierend auf dem gemeinsamen Ansatz zu berechnen, auf den sich die Arbeitsgruppe geeinigt hat (muss noch konkretisiert werden).
  • Die Lieferant*innen haben ihre Betriebspools für die entsprechenden Einzelhändler*innen möglichst stabil zu halten. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Betriebe bei der Zahlung existenzsichernder Löhne unterstützt werden. Dabei werden auch Erfordernisse im Bereich der Beschaffung berücksichtigt (z. B. Wechsel von Betrieben aufgrund von Qualitätsproblemen oder Problemen bei der Ernte).
  • Lieferant*innen sollen ihre Käufe bevorzugt bei den Produzent*innen tätigen, die Teil der Maßnahmen dieser Initiative innerhalb und außerhalb von Ecuador sind. Bei Bedarf kann ein Mengenausgleich angewendet werden, um bestehende logistische Strukturen zu nutzen und Ressourcen zur Schließung von LW-Lücken zu kanalisieren.

Weiteres Engagement seitens der Lieferant*innen in folgenden Bereichen wird als wesentlich erachtet:

  • Die weitere Förderung und Implementierung verantwortungsvoller Einkaufspraktiken zwischen Lieferant*innen und ihren Lieferkettenpartner*innen. 
  • Förderung von sozialem Dialog und Kollektivverhandlungen sowie Unterstützung der Durchsetzung der bestehenden Arbeitsgesetzgebung, Erhöhung der Mindestlöhne und starke soziale Schutzmechanismen.
  • Beteiligung an von der GIZ koordinierten Dialogformaten zwischen Lieferant*innen und Einzelhändler*innen, um auf ein gemeinsames Verständnis der Bedürfnisse und Erwartungen der einzelnen Akteur*innen hinsichtlich der Förderung fairer Arbeitsbedingungen hinzuarbeiten.
  • Regelmäßiger Austausch mit den Produzent*innen, um das Bewusstsein für diese Initiative und die geplanten Maßnahmen zu schärfen und einen geeigneten Kommunikationskanal mit Arbeitnehmer*innen zu finden, um auf ihre Erwartungen eingehen zu können.
  • Bereitstellung von Feedback zur weiteren Verbesserung der Effektivität und Benutzerfreundlichkeit von Tools wie der IDH Salary Matrix und des Living Wage Costing Tools.
7.3 Ich bin Bananenproduzent*in: Welche Kriterien muss ich erfüllen, wenn ich LW-Bananen verkaufen möchte?

Folgende Kriterien könnten in die Beschaffungsvereinbarungen für LW-Bananen zwischen Bananenproduzent*innen und ihren Käufer*innen für die Saison 2023 aufgenommen werden.

Folgendes gilt für alle Produzent*innen, die LW-Bananen verkaufen möchten:

  • In allen Ländern mit Ausnahme von Ecuador müssen die einzelnen Produzent*innen auf der digitalen IDH-Plattform eine Salary Matrix übermittelt haben, die mindestens Daten zu 2021 und/oder 2022 umfasst.
  • Für Produzent*innen in Ecuador gilt eine alternative Richtlinie, nach der sie die gemäß dem ecuadorianischen Arbeitsrecht vorgeschriebenen Tools zur Meldung der Löhne von Arbeitnehmer*innen nutzen können (siehe Kapitel 6.1.4). Ecuadorianische Produzent*innen könnten die Salary Matrix trotzdem auf freiwilliger Basis nutzen.
  • Jede(r) Produzent*in muss die Excel- und/oder PDF-Version der übermittelten Salary Matrix mit seinem/seiner bzw. ihrem/ihrer Käufer*in teilen. Produzent*innen in Ecuador können stattdessen eine Dokumentation der übermittelten Daten an das Regierungstool senden. Im gegenseitigen Einvernehmen erlauben Produzent*innen Lieferant*innen die Weiterleitung dieser Daten an ihre Kund*innen im Einzelhandel. Es wird dringend empfohlen, aus Gründen des Datenschutzes zwischen Produzent*innen, Lieferant*innen und Einzelhändler*innen, die diese Daten teilen, eine formelle gegenseitige Vereinbarung zu treffen.
  • Auf Antrag muss jede(r) Produzent*in an Validierungs- und/oder Verifizierungsprozessen teilnehmen, um Daten zu Lohnlücken zu verifizieren. Diese Prozesse sind von unabhängigen Prüfern durchzuführen. Jede(r) Produzent*in ist dazu verpflichtet, auf Forderung der Kontrollinstanzen hin auf sämtliche relevante Dokumentation Zugriff zu gewähren.
  • Auf Anfrage muss jede(r) Produzent*in Lohnlückenanalysen basierend auf den während des Auditierungsprozesses vereinbarten Änderungen anpassen und aktualisierte Salary Matrices fristgerecht auf der digitalen IDH-Plattform erneut einreichen.

Weiteres Engagement seitens der Produzent*innen in folgenden Bereichen wird als wesentlich erachtet:

  • Förderung von sozialem Dialog und Kollektivverhandlungen sowie aktive und starke Arbeitnehmervertretung auf Betriebsebene.
  • Beteiligung an von der GIZ koordinierten Dialogformaten zwischen Produzent*innen und Einzelhändler*innen, um auf ein gemeinsames Verständnis der Bedürfnisse und Erwartungen der einzelnen Akteur*innen hinsichtlich der Förderung fairer Arbeitsbedingungen hinzuarbeiten.
  • Feedback und Empfehlungen zur weiteren Verbesserung der Effektivität und Benutzerfreundlichkeit von Tools wie der IDH Salary Matrix und des Living Wage Costing Tools.
  • Mögliche Rollen von Arbeitnehmerausschüssen bei der Verwendung von Tools und der Verifizierung von Daten.
  • Sensibilisierung für mögliche andere soziale Risiken von Arbeitnehmer*innen in der Bananenproduktion und wie sich die Arbeitsgruppe dieser Risiken annehmen könnte. 
8. Zusammenarbeit mit Partnern und Gewerkschaften
8.1 Soll die Überprüfung der Löhne bei den Lieferanten durch die jeweiligen Zertifizierer laufen?

Die Wirkung und die erfolgreiche Umsetzung der von der Gruppe durchgeführten Maßnahmen sollen grundsätzlich durch Monitoring- und Überprüfungsmechanismen sichergestellt werden. Die Arbeitsgruppe steht in engem Austausch mit Rainforest Alliance und Fairtrade, um auf bestehenden Mechanismen aufzubauen und diese gemeinsam weiter zu verbessern. Eine enge Abstimmung mit den Zertifizierern ist aus Sicht der Einzelhändler von entscheidender Bedeutung, um das Risiko einer erhöhten Belastung der Hersteller aufgrund unterschiedlicher Anforderungen und Standards verschiedener Akteure zu verringern. Ziel ist aber auch, mögliche Ergänzungen z. B. durch Second Party Audits sowie neue Lösungen für die Bananenlieferketten der Mitglieder zu testen. ALDI Süd hat über sein Pilotprojekt mit Banana Link informiert. In diesem Projekt hat ALDI Süd erfolgreich mit Gewerkschaften zusammengearbeitet, was durchaus eine Option für einen zukünftigen Verifizierungsprozess sein kann.

8.2 Wie geht die AG mit der Annahme um, dass Überstunden im Rahmen von Audits führender Zertifizierer oftmals nicht auffallen?

Interviews mit Arbeitenden sind unabdingbar. In Ecuador wurden im Rahmen einer Baseline-Studie bereits die Arbeiter*innen auf Zulieferfarmen der deutschen Einzelhändler zu vorherrschenden Arbeitsbedingungen interviewt. Grundlage dieser Abfrage waren die 10 „Decent Work“-Indikatoren der ILO, die u. a. auch das Thema Arbeitszeit adressieren. Die Ergebnisse der Umfrage sind bislang nicht öffentlich zugänglich. Sie werden momentan finalisiert und zusammengefasst. Vor allem aber sollen die Ergebnisse dazu dienen, Missstände zu erkennen und das Projekt entsprechend anzupassen.

Die AG greift kurzfristig auf die Zusammenarbeit mit unabhängigen Auditoren zurück, die möglichst nicht für die Standards arbeiten. Mit ihnen sollen “Second Party Audits” zusätzlich zu den regulären Audits von Fairtrade und Rainforest Alliance On-Site Verifizierungen der Salary Matrix Daten durchgeführt werden. Parallel steht die AG im offenen Austausch mit Fairtrade und Rainforest Alliance, um gemeinsam auf noch zielgerichtetere Lösungen hinzuarbeiten, u. a. um noch verlässlichere Mechanismen zur Messung und Verifizierung von Lohnlücken zu entwickeln.

8.3 Wie arbeitet die AG mit anderen europäischen LEH-Unternehmen aus, die ebenfalls zu existenzsichernden Löhnen arbeiten?

Auf europäischer Ebene tauscht sich die Arbeitsgruppe eng mit anderen Einzelhandelsinitiativen – in Großbritannien, den Niederlanden und Belgien – aus und arbeitet hier mit der IDH, als Koordinator dieser Initiativen, eng zusammen. Die Zusammenarbeit zielt darauf ab, Zielsetzung und Aktivitäten der Einzelhändler aus europäischen Ländern abzustimmen, um die Hebelwirkung in den Produktionsländern zu erhöhen und Mehraufwand für Produzenten und Lieferanten zu reduzieren. Neben regelmäßigen Abstimmungstreffen gibt es Veranstaltungen für den gemeinsamen Lernaustausch mit relevanten Lieferkettenakteuren. Damit fügt sich das Projekt in eine globale Strategie ein und setzt gleichzeitig Maßnahmen auf lokaler Ebene um.

8.4 Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften in Ecuador?

Wie geplant befindet sich seit Ende 2022 ein Grant Agreement mit Bananalink in der Umsetzung. Bananalink unterstützt SINUTRABE in der Stärkung ihrer Verhandlungsfähigkeit in Bezug auf die Themen würdevolle Arbeit und existenzsichernde Löhne. Weiter fördert Bananalink den Aufbau von Kommunikationsexpertise von SINUTRABE. Weitere formale Kooperationen sind erst einmal nicht eingeplant. Die AG betont ausdrücklich, wie wichtig es ist, dass alle in Ecuador anerkannten Gewerkschaften im konstruktiven Austausch miteinander stehen. Im besten Fall sogar mit weiteren Gewerkschaften über Ecuador hinaus, um von anderen Ländern wie Kolumbien zu lernen, wo in einer der relevanten Regionen bereits Kollektivverträge von einer anerkannten Gewerkschaft regelmäßig ausgehandelt werden.

8.5 Warum hat man in den begrüßenswerten Ansatz der Bemühungen um einen existenzsichernden Lohn in der ecuadorianischen Bananenindustrie nicht von vornherein Vertretungen von Arbeitnehmer*innen, was normalerweise Gewerkschaften sind, einbezogen?

Die Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels zu existenzsichernden Löhnen und Einkommen betont in ihrer Roadmap die Bedeutung von Arbeitnehmervertretungen für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts und natürlich der verifizierbaren Zahlung von existenzsichernden Löhnen (siehe Meilenstein 7). Daher ist es unabdingbar, Gewerkschaften auch in den Prozess einzubeziehen. Es gilt aber abzuwägen, mit wem in welchem Umfang und in welcher Form zusammengearbeitet werden kann. Während der Projektentwicklung wurde die Gewerkschaftslandschaft analysiert und SINUTRABE als im Sektor anerkannte Gewerkschaft identifiziert.

Daher hat sich die AG entschieden, ein Grant Agreement mit Banana Link umzusetzen. Wie geplant befindet sich dieses momentan in der Umsetzung. Banana Link unterstützt SINUTRABE in der Stärkung ihrer Verhandlungsfähigkeit in Bezug auf die Themen „Gute Arbeit“ einschließlich existenzsichernder Löhne. Weiter fördert Banana Link den Aufbau von Kommunikationsstrukturen von SINUTRABE, um ihre Arbeit transparent nach außen zu präsentieren und so auf eine höhere Anerkennung und Breitenwirksamkeit hinzuwirken. Wie bereits mehrfach erläutert, hat diese Unterstützung historische Gründe: SINUTRABE war während der Projektentwicklung die einzige durch die ecuadorianische Regierung anerkannte Gewerkschaft.