Die Arbeitsgruppe hat sich entschieden, zunächst für den Rohstoff Banane Konzepte für die Etablierung von existenzsichernden Löhnen zu erarbeiten. Hierzu arbeiten ALDI Nord und ALDI Süd, dm-drogerie markt, Kaufland und Rewe Group eng zusammen.  Sie sind davon überzeugt, dass dringend gehandelt werden muss, um einen nachhaltigen Wandel in der Bananenproduktion zu ermöglichen und den Menschen in den Anbauregionen eine sichere Lebensgrundlage zu bieten. Dabei spielen existenzsichernde Löhne eine zentrale Rolle. Statt auf Einzellösungen setzen die Mitglieder auf vorwettbewerbliche Zusammenarbeit. So können systemische und breitenwirksame Veränderungen erreicht und die Situation für die Produzent*innen verbessert werden.

Der gemeinsame und ganzheitliche Ansatz schließt u. a. eine enge Einbindung und Unterstützung von Lieferanten und Produzent*innen in die gesamte Umsetzung ein. Zudem ist es das Ziel, nicht nur die Einkaufspraktiken der Einzelhändler in den Fokus zu rücken, sondern auch Arbeitnehmervertretungen zu stärken und Maßnahmen zu pilotieren, um neben dem Lohnniveau auch insgesamt Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeitenden zu verbessern.

Die Arbeitsgruppe tauscht sich außerdem regelmäßig mit wichtigen Partner*innen zu Erkenntnissen und Erfahrungen in der Implementierung von „Living Wages“ aus. Dazu gehören unter anderen die Organisationen Banana Link, Fairtrade, IDH, Rainforest Alliance, World Banana Forum und Gewerkschaften in den Partnerländern.

Projektübersicht und -ziele
Arbeitsgruppe orientiert sich an vier Zielen

Handlungsleitend für die AG sind vor allem vier strategische Ziele, die sich durch die gemeinsam verabschiedete Roadmap ziehen: 

Fahrplan hin zur „Living Wage Banane“

Die Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels hat sich vorgenommen, dass für ihre Eigenmarken-Bananen langfristig an alle Arbeitenden „Living Wages“ gezahlt werden. Daher zielt das Projekt auf die ganzheitliche Förderung existenzsichernder Löhne und fairer Arbeitsbedingungen im Bananensektor ab. Dabei sollen alle Akteure in der Bananenlieferkette mit einbezogen werden: vom Produzenten über den Exporteur und der Einkäuferin hin zu Bürgerinnen und Bürgern in den Konsumentenländern. Um die vier strategischen Ziele zu erreichen, hat sich die Arbeitsgruppe auf einen gemeinsamen Fahrplan geeinigt, der folgende Grundpfeiler für die Umsetzung beinhaltet:

  • Einführung und Roll-out von Bananen aus existenzsichernder Entlohnung auf dem deutschen Markt - Was genau unter einer „Living-Wage“-Banane zu verstehen ist, definieren die Einzelhändler mit Produzent*innen, Lieferanten oder auch Exporteuren sowie mit Partner*innen der Zivilgesellschaft und aus Arbeitnehmervertretungen in einem fortwährenden Dialog.
  • Umsetzung von Strukturmaßnahmen zur Förderung von existenzsichernden Löhnen und fairen Arbeitsbedingungen - Der deutsche Einzelhandel möchte dabei unterstützen, die Konzepte einer würdevollen Arbeit gemäß den Kriterien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und von „Living Wages“ und „Living Incomes“ besser zu positionieren. Dafür fördert er Arbeitnehmervertretungen, baut Dialogstrukturen zwischen den relevanten Akteur*innen auf und stärkt durch kommunikative Maßnahmen das Bewusstsein von Verbraucher*innen für die nachhaltige Produktion von Agrarrohstoffen.

Ausführlichere Informationen zu Zielen, Meilensteinen und vorgesehenen Aktivitäten finden Sie in der Projekt-Roadmap.

Wie definiert sich eine Living Wage Banane?

Das übergeordnete Ziel der Arbeitsgruppe ist es, langfristig nur noch Eigenmarken-Bananen zu verkaufen, für deren Produktion existenzsichernde Löhne gezahlt werden. Die Kriterien einer solchen „Living Wage Banane“ werden in regelmäßigen Dialogformaten mit Lieferanten und Produzent:innen entwickelt und diskutiert. Die AG arbeitet dabei gemäß dem Grundsatz von „shared responsibility, shared reward, shared risk“. 

Grundsätzlich gilt: Eine LW-Banane kann entweder von einer Farm stammen, die von den Einzelhändlern eine Prämie erhalten hat, um Lohnlücken hin zu einem „Living Wage“ zu verringern oder zu schließen. Oder sie stammt von einem Betrieb, bei dem überprüft und verifiziert wurde, dass bereits ein existenzsichernder Lohn an alle Bananenarbeiter gezahlt wird.


Produzentinnen und Produzenten sollen dabei unterstützt werden, existenzsichernde Löhne für Bananenarbeiter*innen zu erreichen und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu fördern: Betriebe mit einer Lücke in ihren ausgezahlten Löhnen dürfen allerdings nicht aus dem Beschaffungsportfolio der Einzelhändler ausgeschlossen werden. Stattdessen verpflichten sich die Einzelhändler, ebenfalls die Produzent*innen zu unterstützen, die bereits daran arbeiten, die Lücke zu schließen. Dafür zahlen sie ein so genanntes „Living-Wage-Differential“ aus.


Betriebe ohne Lohnlücke sollen gestärkt werden, die Transparenz über Lohn- und Arbeitsstandards zu erhöhen und diese Informationen in Preisverhandlungen mit Käufern zu nutzen. Damit sollen Bananenproduzierende auch in instabilen Zeiten langfristig hohe Lohn- und Arbeitsstandards aufrechterhalten können.  


Darüberhinaus wollen die AG-Mitglieder weitere nachhaltige und verantwortungsvolle Einkaufspraktiken diskutieren und diese in die Pilotierung einbinden.  
 

Projektumsetzung in den Partnerländern
Projektumsetzung

Die Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels möchte geeignete Ansätze finden, um eventuelle Lohnlücken auf ihren Zuliefererfarmen zu schließen. Dafür arbeitet die AG unter anderem mit den Standardgebern Rainforest Alliance und Fairtrade zusammen. Ecuador ist das erste Partnerland, in dem Ansätze für die flächendeckende Umsetzung von existenzsichernden Löhnen getestet werden. Das südamerikanische Land ist einer der wichtigsten Exporteure von Bananen für den europäischen Markt. Außerdem gibt es in Ecuador bereits Erfahrungen mit „Living Wages“, da das Konzept eines so genannten „Salario Digno“ gesetzlich verankert ist. Damit dient Ecuador als Blaupause für andere Bananenanbauländer wie Costa Rica oder Kolumbien, auf die das Projekt ab Sommer 2023 ausgerollt wird.

Lohnlückenanalyse als Grundlage der Arbeit

Als einen der ersten Schritte für die Etablierung von existenzsichernden Einkommen in der Bananenlieferkette hat die AG die Analyse von Lohnlücken definiert. Ein wichtiger Meilenstein wurde Ende 2022 abgeschlossen: Die Analyse von Lohnlücken auf den ecuadorianischen Zuliefererfarmen der AG-Mitglieder. Die teilnehmenden Produzent*innen haben geringe Lohnlücken bei weniger als 1 Prozent der Arbeiter*innen berichtet. Die Daten zeigen zunächst, dass Ecuador eine Vorreiterrolle in Hinblick auf die Zahlung existenzsichernder Löhne im Bananensektor einnimmt. Eine solide Verifizierung der Daten vor Ort bleibt aber essenziell, da es eine Herausforderung darstellt, verlässliche Daten zu erhalten. Geeignete Ansätze für eine „On-Site“-Verifizierung erarbeitet die Arbeitsgruppe im Laufe des Jahres 2023.

Ecuador dient für das erste Projekt der AG als wichtige Blaupause, um Best Practices auf weitere Produktionsländer des Bananensortiments der Einzelhändler zu übertragen. Zudem wird die Lohndatenerhebung ab 2023 auf europäischer Ebene gemeinsam mit weiteren Initiativen zu existenzsichernden Löhnen im Bananensektor aufeinander abgestimmt. Ein gemeinsam erarbeiteter Zeitplan für die Erhebung und Überprüfung der Daten gestaltet den bisherigen Prozess effizienter und reduziert die Belastung für Produzent*innen u. a. durch Vermeidung von doppelten Anfragen. Der abgestimmte Zeitplan wird derzeit das erste Mal umgesetzt.

Erhebung der Daten über die IDH Salary Matrix

Um Lohndaten auf den eigenen Zuliefererfarmen zu erheben, hat sich die Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels für die Nutzung der digitalen IDH Salary Matrix entschieden. Sie ist ein praktisches Instrument, mit dem Produzent*innen beurteilen können, wie die Gesamtvergütung ihrer Mitarbeiter (einschließlich Löhne, Boni, Geld- und Sachleistungen) im Vergleich zu den relevanten Benchmarks für existenzsichernde Löhne in ihrer Region abschneidet. Das Tool unterstützt die Bemühungen der Lieferkette um Lohntransparenz und die gemeinsame Verantwortung für die Beseitigung existenzsichernder Lohnunterschiede. 

Die AG nutzt dieses Instrument, weil eine konsistente und abgestimmte Analyse des existenzsichernden Lohngefälles entscheidend für die Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit von Strategien zur Schließung von Lücken und zur Erreichung eines angemessenen Lebensstandards für Arbeitnehmer ist.

Zur Schließung der Lohnlücken wird das GIZ Living Wage Costing Tool genutzt, das verschiedene Simulationen und Szenarien zur Schließung von Lohnlücken inklusive entsprechenden Kostenimplikationen bietet. Das Tool dient insbesondere Produzentinnen und Produzenten dazu, Mehrkosten für die Bezahlung existenzsichernder Löhne zu ermitteln und damit ihre Verhandlungsposition zu stärken. Entsprechende Trainings für Produzentinnen und Produzenten werden von der Initiative für Nachhaltige Agrarlieferketten (INA) angeboten.

Förderung guter Arbeitsbedingungen und starker Arbeitsnehmervertretungen

Um Living Wages langfristig zu etablieren, braucht es weitere Unterstützungsmaßnahmen für die Produzent*innen im Rahmen von nachhaltigen und verantwortungsvollen Einkaufspraktiken. Die Arbeitsgruppe möchte hierzu in den Jahren 2023 und 2024 in Abstimmung mit den Lieferkettenpartnern Pilotmaßnahmen umsetzen. 

Um zunächst die Situation der Arbeitenden auf ecuadorianischen Zulieferfarmen besser zu verstehen, hat die Arbeitsgruppe eine Studie durchführen lassen: Auf etwa 80 Farmen wurden Arbeiterinnen und Arbeiter zu ihrer Arbeitssituation befragt. Die Ergebnisse wurden anonymisiert in einem Bericht zusammengefasst und für die weitere Projektentwicklung verwendet. Dabei orientiert sich die Gruppe stark an den Prinzipien für Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).

Eine zentrale Erkenntnis des Berichts ist die Bedeutung von Arbeitnehmervertretungen für die Durchsetzung würdevoller Arbeitsbedingungen und existenzsichernder Löhne. Die Lage von Gewerkschaften in Ecuador ist sehr kritisch. Gewerkschaftlich organisierte Arbeiter*innen werden oftmals diskriminiert und Arbeitnehmervertretungen in ihrer Arbeit behindert. Daher unterstützen die Einzelhändler unter anderem die Nichtregierungsorganisation Banana Link in ihrer Arbeit mit der ecuadorianischen Gewerkschaft SINUTRABE, die Führungspersonen zu Themen wie „Decent Work“ und „Living Wages“ schult, um sie sprech- und verhandlungsfähiger zu machen. Außerdem soll SINUTRABE kommunikativ gestärkt werden, um bei Arbeitenden attraktiver zu werden.

Dialog mit Lieferkettenpartnern

Die enge Einbindung sowie Unterstützung von Lieferanten und Produzenten in alle Umsetzungsschritte unterscheidet den Ansatz der Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels von anderen und unterstreicht die partizipative Herangehensweise. Ein erster Produzentendialog hat im Juni 2022 in Ecuador stattgefunden, ein ähnliches Format mit Bananenlieferanten und -exporteuren wurde im September 2022 gestartet. Bei beiden Terminen ging es im ersten Schritt darum, ein gemeinsames Verständnis zu Zielen und Umsetzungsschritten des Projekts zu schaffen und Fragen sowie Feedback der Lieferkettenpartner gemeinsam zu diskutieren. Beim zweiten Produzentendialog im März 2023 stand die Lohnanalyse in Ecuador im Fokus. Die finalen Ergebnisse wurden vorgestellt und diskutiert.  


Beide Dialogformate sollen nun vierteljährlich fortgesetzt und auf die Partnerländer Costa Rica und Kolumbien übertragen werden.  

Zusammenarbeit des Einzelhandels auf europäischer Ebene

Um Lernerfahrungen zu teilen, Ansätze europäischer Initiativen zu existenzsichernden Löhnen im Bananensektor aufeinander abzustimmen und vorwettbewerbliche Zusammenarbeit zu fördern, ist die Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels Teil der Event-Serie "Better Together: Retail Collaboration to Advance Living Wages in the Banana Sector". Die von der GIZ und IDH – The Sustainable Trade Initiative koordinierte Serie bringt britische und Einzelhändler der EU zusammen, um gemeinsame Bedürfnisse zu erörtern, gemeinsame Lösungen ins Auge zu fassen und Erfahrungen und bewährte Verfahren auszutauschen. Ziel ist es, Effizienzen zu steigern, Prozesse für Lieferkettenpartner zu vereinfachen und voneinander zu lernen. Die Veranstaltung orientiert sich hierbei an Schlüsselthemen, die als entscheidend für die weiteren kollektiven Bemühungen um existenzsichernde Löhne identifiziert wurden. Teilnehmende sind Einzelhändler aus Belgien, Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. Erste Ergebnisse der Treffen umfassen die Vereinbarung einer aufeinander abgestimmten Lohndatenerhebung sowie die Veröffentlichung einer belgischen Selbstverpflichtung.  Weitere Austausche beziehen zudem Akteure der Lieferketten wie Lieferanten und Produzent*innen ein.  Der Austausch wird halbjährlich unter der Leitung von IDH und GIZ fortgesetzt.

Bei Rückfragen zur Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels bzw. zum Living Wage Projekt im Bananensektor wenden Sie sich bitte an: Nina Kuppetz, nina.kuppetz(at)giz.de