
Existenzsichernde Einkommen und Löhne
Rund 632 Millionen Menschen lebten 2019 nach wie vor in extremer Armut (unter 1,90 USD pro Tag). Insbesonders betroffen sind Menschen in ländlichen Gebieten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, die in der Landwirtschaft arbeiten. Die Einkommen und Löhne aus der Landwirtschaft sind meist so gering, dass viele Kleinbauernfamilien und Arbeiter*innen trotz ihrer harten Arbeit auf dem Feld weder in ihre Betriebe noch in Bildung oder eine gesunde Ernährung investieren können. Ein Leben in Würde bleibt ihnen meist verwehrt.
Nur durch existenzsichernde Einkommen und Löhne können extreme Armut und daraus resultierende Kinderarbeit langfristig bekämpft werden. Höhere Einkommen steigern zudem die Attraktivität des Landwirtschaftssektors und sichern die zukünftige weltweite Rohstoffversorgung.
Existenzsichernde Einkommen und Löhne – ein Menschenrecht
Ein existenzsicherndes Einkommen ist das
„Nettojahreseinkommen eines Haushalts, das unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen an einem bestimmten Ort verdient wird, […] und ausreicht, um allen Mitgliedern des Haushaltes einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen. Aspekte, die bei der Berechnung eines existenzsichernden Einkommens einbezogen werden sind: Nahrung, Wasser, Wohnen, Bildung, Gesundheitsversorgung, Transport, Kleidung und andere wesentliche Bedürfnisse, einschließlich Vorkehrungen für unerwartete Ereignisse."

Ein existenzsichernder Lohn beinhaltet die gleichen Vorgaben. Als Grundlage wird der Lohn, den ein Arbeitnehmer für eine normale Arbeitswoche erhält, verwendet.
Existenzsichernde Einkommen und Löhne sind ein fundamentales Menschenrecht. Bereits Artikel 25.1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 fordert,
„Jeder Mensch hat das Recht auf einen Lebensstandard, der Gesundheit und Wohl für sich selbst und die eigene Familie gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen […].“
Leider verdienen die meisten Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten weder ein existenzsicherndes Einkommen mit ihren Produkten, noch sind sie in der Lage, den angestellten Arbeitskräften einen existenzsichernden Lohn zu zahlen.
Deshalb setzt sich die INA dafür ein, das Menschenrecht auf existenzsichernde Einkommen und Löhne zu sichern und entlang globaler Lieferketten zu realisieren. Um dies zu erreichen müssen Regierungen, Unternehmen, Produzenten und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten.
Video "Why working together is the way to a living income"
Jede und jeder Kleinbäuerin und Kleinbauer in jedem Winkel der Welt hat es verdient, ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Ein Einkommen, das nicht nur die Produzentinnen und Produzenten und ihre Familien über die Armutsgrenze bringt. Vielmehr sollte es sicherstellen, dass jeder in seinem Haushalt einen angemessenen Lebensstandard genießen kann.
Wie Unternehmen und Regierungen aktiv werden können
Die Rohstoffpreise für Agrarprodukte wie Kakao oder Kaffee sind häufig so niedrig, dass Kleinbauernfamilien teilweise nicht einmal ihre Produktionskosten decken können. Oftmals gibt es keine direkte und langfristige Beziehung zu den Produzentinnen und Produzenten, sondern lange und intransparente Lieferketten, die kaum nachvollziehbar sind. Um die Situation der Kleinbauernfamilie am Anfang der Lieferkette zu verbessern und das Angebot an Rohstoffen nachhaltig zu sichern, müssen Unternehmen und Regierungen die Produktionsbedingungen vor Ort kennen und unterstützende Maßnahmen für gute landwirtschaftliche Praktiken und verbesserte Arbeitsbedingungen einführen. Unternehmen können zudem ihre Einkaufspolitik verantwortungsvoll gestalten, indem sie langfristige Verträge mit den Produzentinnen und Produzenten, faire Zahlungsbedingungen und vor allem faire Preise in ihren Beschaffungspraktiken verankern.
Um zu einer fairen Preispolitik beizutragen hat die INA als praktisches Instrument das GIZ Living Wage Costing Tool entwickelt. Es unterstützt den Nutzer dabei die Frage: „Wie viel muss ich konkret zahlen um einen existenzsichernden Lohn zu erreichen?“ zu beantworten, indem es die Mehrkosten für die Bezahlung existenzsichernder Löhne auf Farmebene ermittelt.
Aktivitäten in Foren und Gruppen
Die Living Income Community of Practice ist eine internationale Arbeitsgruppe mit mehr als 1600 Unterstützern aus dem privaten und öffentlichen Sektor sowie aus Zivilgesellschaft, standardsetzenden Organisationen, Wissenschaft und Beratungsdienstleistern. Übergeordnetes Ziel der Arbeitsgruppe ist es, die Umsetzung existenzsichernder Einkommen in globalen Agrarlieferketten zu fördern. Sie bietet neben dem Austausch viele Informationen, Wissen und erste Schritte zu dem Thema z.B. ein Living Income Toolkit für Unternehmen sowie einen Leitfaden für Regierungen zur schrittweisen Realisierung von existenzsichernden Einkommen in ihren Lieferketten.
Die Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels hat es sich zum Ziel gesetzt aktiv für die Entwicklung und Umsetzung verantwortungsvoller Geschäftspraktiken in ihren globalen Lieferketten einzusetzen. Der deutsche Einzelhandel will somit dazu beitragen, dass sich Kleinbäuerinnen und -bauern sowie Arbeiterinnen und Arbeiter weltweit durch den Anbau von Agrarrohstoffen, wie z.B. Kaffee, Kakao, Baumwolle oder Banane einen angemessenen Lebensstandard erwirtschaften können.
Das ALIGN-Guidance-Tool beinhaltet eine interaktive Weltkarte mit Informationen zur Rohstoffproduktion, Lohnstrukturen und Einkommenssituation in verschiedenen Ländern und bietet einen Leitfaden für Unternehmen zur Umsetzung von existenzsichernden Einkommen und Löhnen in ihren Lieferketten.
Die INA unterstützt in ihren Aktivitäten Unternehmen, diesen Ansatz ernsthaft zu verfolgen. Ziel ist es den globalen Handel fairer zu gestalten und Kleinbäuerinnen und Kleinbauern aus der Armut zu heben