Kaffee und Kakao zum Frühstück, Palmöl im Shampoo und in der Eiscreme, Soja ans Schwein oder Huhn verfüttert, Naturkautschuk im Auto- und Fahrradreifen: Durch den Konsum all dieser Agrarrohstoffe tragen wir täglich zu Entwaldung in den Tropen bei. Rund 90% der Entwaldung in den Tropen geht auf das Konto der Landwirtschaft. Nur sieben Agrarrohstoffe führten zwischen 2001 und 2015 zur Entwaldung einer Fläche doppelt so groß wie Deutschland: Rindfleisch, Palmöl, Soja, Kakao, Naturkautschuk, Kaffee und Plantagenholz. Ein beträchtlicher Teil dieser entwaldungstreibenden Agrarrohstoffe wird international gehandelt, auch mit der EU.

Gleichzeitig sind Wälder und andere wertvolle Ökosysteme essentiell für das Klima, Artenvielfalt, die Lebensgrundlage von Millionen Menschen und zumindest mittelfristig auch für die Landwirtschaft. Wir können uns daher Entwaldung künftig schlichtweg nicht mehr leisten.

Angesichts der hohen Entwaldungsraten für einige Agrarrohstoffe wurden in den letzten Jahren vor allem Unternehmen aktiv. 2010 bekannte sich das Consumer Goods Forums (CGF), ein Zusammenschluss der größten Konsumgüterhersteller und Einzelhändler weltweit, zur Eliminierung von Entwaldung aus den Lieferketten von Palmöl, Soja, Rindfleisch sowie Zellstoff. Im Zuge dessen verpflichteten sich in den folgenden Jahren Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette, von großen Produzenten über weltweit agierende Agrarhändler und Konsumgüterhersteller bis hin zu Einzelhändlern, zu entwaldungsfreien Lieferketten bis 2020.

Internationale Vereinbarungen begleiteten den Prozess: 2014 bekannten sich in der New York Declaration on Forests (NYDF) erstmals Unternehmen, Staaten und die Zivilgesellschaft gemeinsam dazu, bis 2020 die Entwaldung zu halbieren und dabei das Ziel der Privatwirtschaft, bis 2020 Entwaldung aus den Lieferketten von Palmöl, Soja, Papier und Rindfleisch zu eliminieren, zu unterstützen.

Dennoch ist die Entwaldungsrate in den letzten Jahren nicht gesunken. Laut FAO wurden zwischen 2015-2020 jährlich im Schnitt 10 Mio. ha entwaldet. Satellitendaten des World Resources Institute zeigen, dass allein in den Tropen 2020 rund 12 Mio. ha Wald verloren gingen – Tendenz in den letzten fünf Jahren steigend. Besonders schwer wiegt der steigende und unwiederbringliche Verlust von tropischen Primärwäldern – allein 2020 eine Fläche von der Größe der Niederlande. Brasilien führt die Liste des Primärwaldverlusts in den Tropen mit sehr großem Abstand an, gefolgt von der Demokratischen Republik Kongo, Bolivien, Indonesien, Peru und Kolumbien.

Fazit 

Keinem Unternehmen ist es gelungen, seine Selbstverpflichtungen zu entwaldungsfreien Lieferketten vollständig umzusetzen – auch weil dies oftmals bedeutet hätte, Kleinbäuer*innen aus globalen Lieferketten auszuschließen. Heute ist klar, dass Entwaldung nur durch gemeinschaftliche Anstrengungen minimiert werden kann und die Politik Rahmenbedingungen für einen Stopp der Entwaldung durch die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen schaffen muss. Gleichzeitig brauchen wir ökonomische Anreize für die Bevölkerung und Unternehmen in aktuellen Entwaldungs-Hotspots, weitere Rodungen zu unterlassen. Um Wälder zu erhalten, müssen wir eine alternative Lebensgrundlage für die Menschen vor Ort schaffen, u.a. durch existenzsichernde Einkommen und Löhne.

 

Entwaldung und die Verantwortung der EU

Die EU liegt auf der unrühmlichen Weltrangliste der Waldzerstörer durch Konsum auf Platz zwei – hinter China als größtem Importeur entwaldungstreibender Agrarrohstoffe und vor Indien, USA und Japan. So war die EU 2017 für 16% der durch internationalen Handel mit Agrarrohstoffen verursachten Entwaldung in den Tropen verantwortlich, China für 24%, Indien für 9% und die USA für 7%. Damit verursachte die EU zwischen 2005-2017 rund 3,5 Mio. ha Entwaldung in den Tropen, das entspricht der Fläche Baden-Württembergs. Soja, Palmöl und Rindfleisch haben von allen importierten Rohstoffen aus den Tropen den größten Entwaldungsfußabdruck – gefolgt von Holzprodukten, Kakao, Kaffee. Am meisten Entwaldung „importiert“ die EU durch Agrarrohstoffe aus Brasilien, Indonesien, Argentinien und Paraguay.

Eine neue Studie von Forest Trends zeigt zudem, dass immer mehr illegal für die kommerzielle Landwirtschaft gerodet wird, zwischen 2013 und 2019 waren es rund 69%.

Dabei wird das Pariser Klimaabkommen ohne Walderhalt kaum zu erreichen sein: Wäre Entwaldung ein Land, so wäre es weltweit der größte Treibhausgasemittent nach China und den USA. Rund 20-30 Prozent der durch Entwaldung verursachten Treibhausgasemissionen sind auf internationalen Handel mit Agrarrohstoffen zurückzuführen.

Politische Rahmenbedingungen

Internationale Abkommen wie die Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs), das Pariser Klimaabkommen, der kommende Post-2020 Biodiversitätsrahmen und die New York Declaration on Forests sind ohne entwaldungsfreie Lieferketten nicht erreichbar. Die zahlreichen Erklärungen und Initiativen zu entwaldungsfreien Lieferketten in 2021 verdeutlichen, dass immer mehr Politiker*innen und Unternehmen die Notwendigkeit, Entwaldung zu stoppen, anerkennen:

Bei der Klimakonferenz (COP26) in Glasgow haben sich 141 Staaten im Rahmen der Glasgow Leaders Declaration on Forest and Land Use zum Stopp der Entwaldung bis 2030 bekannt und damit zu umfassenden Maßnahmen zu entwaldungsfreien Lieferketten aufgerufen. Auch internationale Finanzinstitute und Agrarhändler haben bei der COP26 ambitionierte Erklärungen zum Stopp der Entwaldung in ihrem Finanzportfolio bzw. in ihren Lieferketten abgegeben.

Die Europäische Kommission hat am 17.11.2021 ihren Legislativvorschlag für eine EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten vorgelegt – basierend auf Sorgfaltspflichten für Unternehmen und einem Benchmarking von Produktionsländern. Dieser wird in 2022 vom Europäischem Parlament und Rat verhandelt. Auch in den USA und in UK sind Gesetze zu ELK in Vorbereitung.

Auch die Abschlusserklärungen der  G7 Umwelt- und Handelsminister*innen von Mai 2021 kündigen an, künftig landwirtschaftliche Produktion von Entwaldung entkoppeln zu wollen – auch durch Handelsinstrumente im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO).

Mittlerweile neun europäische Länder, nämlich Belgien, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Norwegen und Spanien, engagieren sich in der Amsterdam Declarations Partnership (ADP), initiiert in 2015, für Maßnahmen zu entwaldungsfreien Lieferketten. Im Januar 2021 bekräftigte unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel das Bekenntnis Deutschlands, auf EU-Ebene Maßnahmen entwaldungsfreie Lieferketten zu unterstützen.

Das Bundeskabinett hat bereits 2020 Leitlinien der Bundesregierung zur Förderung von entwaldungsfreien Lieferketten von Agrarrohstoffen verabschiedet und setzt damit den Rahmen für das produktions- und nachfrageseitige Engagement Deutschlands zu entwaldungsfreien Lieferketten.

In der Tropical Forest Alliance (TFA) sind zahlreiche Geberländer auf Konsumseite, Waldländer, große Unternehmen und Zivilgesellschaft organisiert, um gemeinschaftlich auf internationaler Ebene Entwaldung in Lieferketten zu minimieren.

EU-Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans und Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius stellten am 17.11.2021 in Brüssel den Legislativvorschlag für eine EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten vor.
Landschaftsansätze/Juris­diktionale Ansätze

Obwohl Nachhaltigkeits­standards in vielen Lieferketten zu einer Verbesserung der Situation beitragen, können sie systemische Probleme wie Entwaldung nicht lösen, da ihre Nachhaltigkeits­anforderungen nur für die jeweils zertifizierten Betriebe gelten. Klassische Lieferketten­instrumente stoßen zudem an ihre Grenzen, da viele der Herausforderungen nicht von einem Akteur allein gelöst werden können.

In den letzten Jahren haben daher holistische Ansätze, sogenannte Landschafts­ansätze oder Jurisdiktionale Ansätze, an Bedeutung gewonnen, die die nachhaltige Transformation einer ganzen Landschaft, Region oder Verwaltungseinheit zum Ziel haben - rohstoffübergreifend und gemeinsam mit Interessengruppen aus Regierungen, Unternehmen, der Zivilgesellschaft und insbesondere Kleinbauern.

Diese Konzepte sind in letzten Jahren auf großes Interesse gestoßen. Beispielsweise haben sich 20 Unternehmen innerhalb des Consumer Goods Forum zur Forest Positive Coalition of Action zusammengeschlossen, die jurisdiktionale bzw. Landschaftsansätze und die Kooperation mit Akteuren auch über die eigene Lieferkette hinaus als eine wichtige Strategie ansieht, um Entwaldung zu vermeiden. Die Tropical Forest Alliance hat zudem eine Plattform eingerichtet, die gezielt Informationen für Unternehmen bereitstellt, die sich in Landschafts­ansätzen/Jurisdiktionalen Ansätzen engagieren möchten.

Umsetzung in Partnerländern

Am meisten Waldfläche wird in Südamerika und Südostasien in landwirtschaftliche Nutzfläche umgewandelt. In Afrika spielen neben der kommerziellen Landwirtschaft vor allem die Subsistenzlandwirtschaft sowie Feuerholz für den täglichen Gebrauch eine wichtige Rolle bei Entwaldung. Lokal sind zudem auch Bergbau, Infrastruktur und die Ausweitung von Städten wichtige Treiber von Entwaldung.

In der NY Declaration on Forest und in der Glasgow Leaders Declaration on Forest and Land Use haben sich viele Produzentenländer verpflichtet ihren Teil zu leisten, um die Entwaldung bis 2030 zu stoppen.

Welche Herausforderungen und Hebel gibt es in den Produktionsländern?

  • Verpflichtungen in nationale Ziele und Gesetze überführen, Rechtsdurchsetzung und entsprechende Sanktionen umsetzen
  • Aufbau geeigneter Monitoringsysteme, um Entwaldungshotspots zu identifizieren
  • Effektive Landnutzungsplanung, um besonders schützenswerte Flächen zu erhalten
  • Verstärkte intersektorale Abstimmung, um unterschiedliche Interessen in Einklang zu bringen und widersprüchliche Anreizsysteme abzuschaffen
  • Förderung von nationalen und subnationalen Multi-Stakeholder-Initiativen und öffentlich-privater Partnerschaften, die die Regierung, zivilgesellschaftliche Organisationen, Unternehmen und Verbände zusammenbringen
  • Politiken und Rechtsvorschriften auf subnationaler Ebene ausreichend umsetzen
  • Etablieren von Anreizmechanismen, die die Produktion von nachhaltig produzierten Waren fördern
In der Praxis: INA in Kolumbien

In Kolumbien ist die INA in den Projekten INCAS und INCAS Global + aktiv.

Die Projekte fördern Nachhaltigkeit in internationalen Agrarlieferketten – und das vom Regal bis ins Feld.

Wenn Sie mehr über das Projekt wissen möchten, finden Sie hier einen ausführlichen Bericht.

In der Praxis: INA in Indonesien

Die Projekte „Nachhaltige Agrarlieferketten in Indonesien (SASCI)“ und „Nachhaltigkeit und Wertschöpfung in Agrarlieferketten (SASCI+)“ fördern entwaldungsfreie Lieferketten.

Hauptziel der Projekte ist die Etablierung nachhaltiger Produktionsregionen.

Mehr Infos über die Projekte finden Sie unter "In der Praxis" auf der Projektseite.