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  • INA in Indien
02. März 2023

Ein Artikel von Vanessa Berghoff 

Am Sonntag, den 22. Januar, war Aufregung am internationalen Flughafen von Mumbai zu spüren. Für Vertreter*innen von acht deutschen Fußballvereinen, des Textilunternehmens Brands Fashion, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), von Fairtrade Deutschland und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH ging es auf eine Reise, um die  Umsetzung des Projekts "Vom Feld in den Fanshop" vor Ort zu erleben. 

Als sich das Flugzeug der Stadt Kandla näherte, wich die Wüste der Küstenlinie mit bunten Dörfern und  Wasserkanälen, die die Felder und bewässern. Der Bundesstaat Gujarat ist einer der führenden Agrarstaaten Indiens und bekannt für seine Baumwollproduktion sowie die lebhafte und traditionelle Textilindustrie. 

Die Reise begann mit einem Besuch bei den Projektbauern in Kutch, die die Baumwolle für die nachhaltigen Fanartikel der Fußballvereine produzieren. Die Delegation wurde von der Gemeinde und dem Team des lokalen Projektpartners Rapar und Dhrangadhra Farmers Producers Company Ltd (RDFC) mit einem herzlichen und traditionellen Empfang begrüßt.   

Der eine Teil des Projekts unterstützt Kleinbäuerinnen und -bauern bei der Umstellung von konventionellen auf ökologischen Baumwollanbau nach indischen und europäischen Standards. Die Bäuerinnen und Bauern berichteten über die Vorteile des ökologischen Baumwollanbaus, wie z.B. die Verbesserung der Bodenqualität und der menschlichen Gesundheit durch den Verzicht auf schädliche Chemikalien. Die Bäuerinnen und Bauern werden darin geschult, wie sie ökologische Betriebsmittel wie Dünger oder Pestizide mit natürlichen Inhaltsstoffen herstellen können. Allerdings sind die Erträge von Biobaumwolle oft geringer und die ökologischen Anbaumethoden müssen strikt eingehalten werden. Es dauert etwa drei Jahre, bis die Baumwolle als Bio-Baumwolle zertifiziert werden kann, da eine Umstellungsphase sicherstellt, dass alle chemischen Rückstände abgebaut sind und sich nicht mehr im Boden oder in den Pflanzen befinden. Während dieser Umstellungsphase können die Bäuerinnen und Bauern die Baumwolle nicht als Bio-Baumwolle vermarkten und erhalten daher auch nicht die höheren Marktpreise. Um diese Herausforderungen zu überwinden, bietet das Projekt den Produzent*innen als finanziellen Anreiz Abnahmegarantien für die Baumwolle in der Umstellungsphase. 

Obwohl alle 450 registrierten Projektbauern männlich sind, waren die Besucher*innen auch neugierig auf die Rolle ihrer Frauen. Eine der Frauen erzählte von ihrer Verantwortung für die Baumwollernte, während sie gleichzeitig zahlreiche andere Aufgaben im Haushalt wie Kochen und Putzen wahrnehmen. Der Austausch mit den Bauern und Bäuerinnen und Spaziergang durch die Felder mit den offenen Baumwollkapseln war für die Teilnehmer*innen eine sehr beeindruckende Erfahrung.  Baumwolle in ihrem natürlichen Zustand zu sehen, vermittelte die unglaubliche Reise, die Textilien vom Samen, der auf dem Feld in Indien gepflanzt wird, bis hin zum fertigen Produkt in den Regalen in Europa zurücklegen. Es verdeutlichte auch die harte Arbeit und die Lebensbedingungen der Bauern und Bäuerinnen und ihrer Familien am Anfang der Lieferkette. 

Am zweiten Tag war die Delegation eingeladen, einen örtlichen Entkörnungsbetrieb zu besuchen, um mehr über die Verarbeitung von Baumwolle zu erfahren. RDFC bietet zwar an, die Baumwolle von den Bauern zu einer etwas weiter entfernten GOTS-zertifizierten Entkörnungsbetrieb zu transportieren, jedoch war der aus Zeitgründen besuchte Betrieb nicht Teil des Projekts. Den ersten Eindruck hinterließ die große Menge an Saatbaumwolle, teils noch auf beladenen Lastwagen, andere bereits in Haufen auf dem überdachten Boden. Beim Betreten des Betriebs war die Luft belastet mit fliegenden Baumwollpartikeln und dem Lärm der Entkörnungsmaschinen, die die Fasern von den Samen trennen. Auffallend war das schwierige Umfeld für die Sicherheit der Arbeiter, hinsichtlich des Betriebs der Maschinen und möglicher gesundheitlicher Auswirkungen aufgrund der Luftverschmutzung. Im Gegensatz dazu verlangt der Global Organic Textile Standard (GOTS) die Einhaltung strenger sozialer und ökologischer Kriterien, einschließlich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Für die Entkörnung von Bio-Baumwolle muss der Entkörnungsbetrieb gründlich gereinigt werden, um sicherzustellen, dass sie nicht mit konventioneller Baumwolle vermischt wird, um die Standards für die Bio-Zertifizierung zu erfüllen. Nach der Entkörnung wird die Baumwolle in Ballen gepresst und in den Spinnereien weiterverarbeitet. Bei dem Besuch wurde deutlich, dass die Entkörnung ein wichtiges Bindeglied zwischen der Landwirtschaft und der Textilindustrie ist. Sie ist für die Erzeugung hochwertiger Baumwollfasern und für eine effiziente und nachhaltige Textilproduktion unerlässlich. 

Am dritten Tag richtete sich der Fokus auf den zweiten Strang des Projekts, der sportliche Aktivitäten unter Kindern und Jugendlichen in zehn lokalen Baumwollanbaugemeinden fördert. Die Delegation wurde eingeladen, eine Schule in der Stadt Mandvi zu besuchen und mit den Kindern zu sprechen, die an dem Programm "Sport für Entwicklung" teilnehmen. Gemeinsam mit dem Projektpartner Youth Football Club (YFC) Rakalan und Lehrer*innen wurde zunächst das Schulgelände besichtigt. Obwohl die schwierigen Lebensbedingungen vieler Kinder eine Herausforderung darstellen, war ihre Begeisterung im Sportunterricht regelrecht ansteckend. Es wurden mehrere Runden Fußball mit gemischten Mannschaften aller Geschlechter, Altersgruppen und Nationalitäten gespielt. Man konnte die Freude und das Selbstvertrauen der Kinder spüren und die Lehrer*innen berichteten  von ihren verbesserten schulischen Leistungen und der erfolgreichen Einbeziehung von oft benachteiligten Mädchen. 

Als weiteren sportlichen Höhepunkt begab sich die Delegation zu einem nahe gelegenen Cricketfeld, um an einem Jugend- und Sportfest von vier der Projektschulen teilzunehmen. Um den Kindern ihre Wertschätzung zu zeigen, brachten die Fußballvereine Geschenke wie Trikots und Fanartikel mit. Und dann begann die Veranstaltung: Durch Spiele und Übungen wurden Lebenskompetenzen und Werte wie Teamplay und Fairness vermittelt. Überall auf dem Spielfeld konnte man Lachen zu hören: Laufen, Fangen, Fitness, Tanzen und natürlich Fußballspielen - und all das bei perfektem Wetter mit blauem Himmel und Sonnenschein. 

Schließlich endete diese ganz besondere Reise am Tag der Republik, an dem die Besucher*innen die Feierlichkeiten miterleben konnten, die rund um den Nationalfeiertag des Inkrafttretens der indischen Verfassung im Jahr 1950 stattfinden. Zum Abschluss der Reise wurde die Delegation von hochrangigen Gästen wie der Textile Commissioner, dem Vorsitzenden und Geschäftsführer der Cotton Corporation of India und dem Präsidenten des indischen Fußballverbands in Mumbai empfangen, um die Erfahrungen des Besuchs zu reflektieren und sich auszutauschen. Letzten Endes gewannen die Teilnehmenden ein unschätzbares Verständnis für die Herausforderungen und Möglichkeiten auf dem Spiel- und Baumwollfeld, die die Bemühungen des Projekts "From Field to Fanshop" prägen werden. Diese Erfahrungen werden weitergegeben, um mehr Nachhaltigkeitsbemühungen in den Fußballvereinen anzustoßen. 


 

Das Projekt  „Vom Feld in den Fanshop“ wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gemeinsam mit dem Textilunternehmen Brands Fashion ins Leben gerufen und wird von den Globalvorhaben „Nachhaltigkeit und Wertschöpfung in Agrarlieferketten“ und „Sport für Entwicklung“ gemeinschaftlich umgesetzt. Wir möchten uns bei unseren Durchführungspartnern RDFC und YFC für die großartige Unterstützung bei der Organisation der Delegationsreise bedanken. 

Fotos: © GIZ & © Werder Bremen