- Ankündigung
Ein Rückblick auf die Internationale Grüne Woche in Berlin
Ein Artikel von Leonard Schäfer
Die Internationale Grüne Woche in Berlin bot vom 20. – 29.01.2023 rund 300.000 Besucher*innen ein abwechslungsreiches Programm rund um die Themen Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Gartenbau. Unser Instagram-Account #Ichwillfair und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) setzten in ihrem gemeinsamen Messeauftritt einen Fokus auf African Food und informierten die zahlreichen Besucher*innen über die Möglichkeiten nachhaltigeren Wirtschaftens.
Wer zum ersten Mal den Namen „Grüne Woche“ hört, mag vermuten, dass sich auf den 180.000 qm des Messegeländes in Berlin alles um das Thema Nachhaltigkeit dreht. Doch schon auf den ersten Metern der international wichtigsten Messe für Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Gartenbau wird man eines Besseren belehrt. Die „Grüne Woche“ startete 1926 als Fachmesse für die Agrarwirtschaft und richtet sich heute vor allem an Verbraucher*innen. 1400 Ausstellende boten dieses Jahr ihre Produkte an und besonders die Hallen der „World Tour“ weckten das Interesse der Besucher*innen. Sehr langsam drückten sich hier die Menschen an Lebensmitteln und anderen Produkten aus insgesamt 60 Ländern vorbei; zu entdecken und probieren gab es beispielsweise Elchburger aus Schweden oder Pastéis de Nata aus Portugal.
Die INA auf der IGW
Die Messe bietet also vor allem eins: Konsum. Umso wichtiger, dass viele fragende Gesichter vor dem Messebereich der INA und des BMZ stehen - denn, zu kaufen gab es dort nichts. Dafür gab es viel zu entdecken und zu probieren - Insekten beispielsweise, die eine potentielle Nahrungsquelle für die Zukunft sein können und ressourcenschonendes tierisches Protein bieten. „Schmeckt wie Chips“, resümiert ein Besucher nachdem er zaghaft eine Heuschrecke probiert hat. Er lächelt und schiebt im Vorbeigehen gleich eine Handvoll hinterher.
Mit seiner Tochter an der anderen Hand geht er einen Stand weiter. Hier dürfen sie Kakaobohnen probieren, frisch und unbehandelt. Seine Tochter verzieht das Gesicht und spuckt die Bohne wieder aus. Viel zu bitter sei sie gewesen. Aber den Aufbau der Kakaobohne findet das sechsjährige Mädchen „superspannend“. „Ich habe mir vorher nie Gedanken gemacht, woher Schokolade eigentlich stammt.“ „Ich irgendwie auch nicht“, stimmt ihr der Vater zu.
Sensibilisierung für die Ursprungsregion
Leider gehen die Beiden dann wieder weiter. Denn eine Station haben sie noch ausgelassen auf dem Weg vom Kakaobaum zur Schokolade im Supermarkt. Über einem Holztisch hängt ein Foto einer Familie aus der Côte d’Ivoire. Daneben steht das Durchschnittseinkommen einer Familie, dieKakao anbaut: 172 Euro im Monat. Die Aufgabe der Besucher*innen ist es, mit diesem Monatseinkommen zu wirtschaften. Grundbedürfnisse lassen sich hier durch das Abscannen des Barcodes ‚kaufen‘. Dafür wurde der durchschnittliche Preis pro Monat für eine Familie vor Ort mit fünf Kindern errechnet. Ist das Budget erreicht, blinkt die Kasse rot auf. Möchte man sich abwechslungsreich ernähren, fehlt Geld für den Arztbesuch oder Medikamente. Für Mobilität oder Mobilfunk ist kein Geld da und selbst Elektrizität können manche sich nur leisten, weil sie sich dazu entschließen, Reis und Kochbananen als einzige Lebensmittel einzuscannen.
172 Euro ist das errechnete Durchschnittseinkommen, 478 Euro wäre das von unseren Expertinnen, die zu existenzsichernden Einkommen arbeiten errechnete faire Einkommen für eine Familie in der Côte d‘Ivore. Über 300 Euro fehlen, um so zu leben, dass es der UN-Menschenrechtskonvention von 1948 entspräche: Jeder Mensch hat das Recht auf einen Lebensstandard, der Gesundheit und Wohl für sich selbst und die eigene Familie gewährleistet. „Aber was haben wir denn damit zu tun?“, fragt eine Besucherin.
Am Stand gegenüber steht „Brot für die Welt“ und verteilt kostenlos Schokolade, die unter fairen Bedingungen hergestellt wurde. Ich besorge eine und zeige sie der Besucherin. Bei einer konventionell hergestellten Tafel Schokolade gehen von einem Euro nur 0,08 Euro an die Produzent*innen. Wenn die Konsument*innen sich dazu entschließen, Schokolade zu kaufen, die unter fairen Bedingungen hergestellt wurde, werden die Kleinbäuerinnen und – bauern deutlich besser entlohnt. Aber natürlich müssen nicht nur die Verbraucher*innen auf ihren Konsum achten. Wie sollen sie das auch, bei einem Lebensmittelmarkt voller Siegel, Logos und unterschiedlichen Bezeichnungen.
„Eigentlich dürfte es doch gar keine Produkte zu kaufen geben, die unter Bedingungen hergestellt werden, die gegen die Menschenrechte verstoßen“, sagt sie. Wir sprechen über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Zuletzt zeige ich ihr noch den Stand von „Angelique’s Finest“. Einem Kaffee, der in Ruanda hergestellt wird, unter fairen Bedingungen und bis zum Verpacken findet die gesamte Wertschöpfung vor Ort statt. So werden alle Beteiligten deutlich besser entlohnt. Bei Angelique’s Finest sind das ausschließlich Frauen, denn Frauen leiden besonders unter den schlechten Arbeitsbedingungen im konventionellen Kaffeesektor, obwohl sie einen Großteil der Arbeit verrichten.
Insgesamt war die Präsenz der INA und des BMZ auf der Grünen Woche ein Erfolg. Viele Einzelgespräche mit Verbraucher*innen, mit Schulklassen und besonders die spannenden Gespräche auf der Bühne des BMZ am ersten Messewochenende haben einen großen Teil dazu beigetragen, unsere Themen an die Verbraucher*innen, die Politik und die Zivilgesellschaft zu tragen.